Full text: Für Quarta und Untertertia (Abteilung 2, [Schülerband])

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3. Und seine Glocken klangen 
So voll, so hell, so rein; 
Er goß auch Lieb' und Glauben 
Mit in die Form hinein. 
4. Doch aller Glocken Krone, 
Die er gegossen hat, 
Das ist die Sünderglocke 
Zu Breslau in der Stadt. 
5. Im Magdalenenturme, 
Da hängt das Meisterstück, 
Rief schon manch starres Herze 
Zu seinem Gott zurück. 
6. Wie hat der gute Meister 
So treu das Werk bedacht! 
Wie hat er seine Hände 
Gerührt bei Tag und Nacht! 
7. Und als die Stunde kommen, 
Daß alles fertig war, 
Die Form ist eingemauert, 
Die Speise gut und gar, 
8. Da ruft er seinen Buben 
Zur Feuerwacht herein: 
„Ich lass' auf kurze Weile 
Beim Kessel dich allein. 
9. Will mich mit einem Trünke 
Noch stärken zu dem Guß; 
Das gibt der zähen Speise 
Erst einen vollen Fluß. 
10. Doch hüte dich und rühre 
Den Hahn mir nimmer an! 
Sonst wär' es um dein Leben, 
Fürwitziger, getan." 
11. Der Bube steht am Kessel, 
Schaut in die Glut hinein; 
Das wogt und wallt und wirbelt 
Und will entfesselt sein, 
12. Und zischt ihm in die Ohren, 
Und zuckt ihm durch den Sinn, 
Und zieht an allen Fingern 
Ihn nach dem Hahne hin. 
13. Er fühlt ihn in den Händen, 
Er hat ihn umgedreht; 
Da wird ihm angst und bange, 
38. Str. 7 
Glocke gegossen wird, 
örtlich für „Urteil". 
Puschmann, Lesebuch für »nt. u. mittl. Kl. II. 
Er weiß nicht, was er tät. 
14. Und läuft hinaus zum Meister, 
Die Schuld ihm zu gestehn; 
Will seine Knie umfassen 
Und ihn um Gnade flehn. 
15. Doch wie der nur ver¬ 
nommen 
Des Knaben erstes Wort, 
Da reißt die kluge Rechte 
Der jähe Zorn ihm fort. 
16. Er stoßt sein scharfes Messer 
Dem Buben in die Brust; 
Dann stürzt er nach dem Kessel, 
Sein selber nicht bewußt. 
17. Vielleicht, daß er noch retten, 
Den Strom noch hemmen kann — 
Doch sieh, der Guß ist fertig, 
Es fehlt kein Tropfen dran. 
18. Da eilt er, abzuräumen, 
Und sieht, und will's nicht sehn, 
Ganz ohne Fleck und Makel 
Die Glocke vor sich stehn. 
19. Der Knabe liegt am Boden, 
Er schaut sein Werk nicht mehr. 
Ach, Meister, wilder Meister, 
Du stießest gar zu sehr! 
20. Er stellt sich dem Gerichte, 
Er klagt sich selber an. 
Es tut den Richtern wehe 
Wohl um den wackern Mann. 
21. Doch kann ihn keiner retten, 
Und Blut will wieder Blut. 
Er hört sein Todesurtel 
Mit ungebeugtem Mut. 
22. Und als der Tag gekommen, 
Daß man ihn führt hinaus, 
Da wird ihm angeboten 
Der letzte Gnadenschmaus. 
23. „Ich dank' euch," spricht der 
Meister, 
„Ihr Herren lieb und wert. 
Doch eine andre Gnade 
Mein Herz von euch begehrt. 
38. Str. 7. Speise: die Glockenspeise, die Metallmischung, aus der die 
Str. 8. Bube: Lehrjunge. — Str. 21. Urtel: mund- 
22. Ausl. 
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