Full text: Leitfaden der Weltgeschichte

Kap. 166—167. Italienische Annexionen. Umsturz in Neapel. 209 
Diese bestanden darin, daß Oesterreich die Lombardei an Frankreich — und dieses 
sie an Piemont abtreten, Italien ein Bundesstaat, Venetien unter Oesterreichs 
Herrschaft ein Glied desselben werden, aber Reformen erhalten solle; dagegen wolle 
Frankreich die Rückkehr der aus Toskana und Modena vertriebenen Fürsten gestatten, 
unter der Bedingung jedoch, daß das Volk sie freiwillig, und ohne fremde Hülfe zurück- 
rufe; der Papst solle in dem neuen Bundesstaate den Vorsitz führen und zu Re- 
formen im Kirchenstaate vermocht werden. Alle diese Punkte sollten zu Zürich in einem 
förmlichen Friedensschluß zusammengefaßt werden. 
Hierauf überließ L. Napoleon die Weiterentwicklung Italiens scheinbar sich 
selbst und kehrte nach Paris zurück, wo er triumphirend empfangen wurde. 
(4.) Der in Zürich abgeschlossene Frieden (10. Nov. 1859) hatte aber 
für die Ruhe Italiens keine Folgen; denn es kam kein Congreß der Groß- 
möchte zu Stande, und die Politik Cavour's sowohl, als die revolutionäre 
Partei benützte diesen Umstand, mittels erzwungener Plebiscite Toscana, 
Modena, Parma und die päpstliche Legation Bologna für Piemont zu 
„annectiren." L. Napoleon aber verstärkte die französische Besatzung 
von Rom, um sich den Einfluß auf Italien zu erhalten, ließ den Papst 
seines Schutzes versichern und sich von Victor Emmanuel zum Lohn für die 
Vergrößerung seines Gebietes — Savoyen (die Wiege des piemontesischen 
Königshauses) nebst Nizza abtreten. 
Der energische Protest, den die Schweiz gegen die mit dieser Annexion ausgeübte 
Verletzung ihrer Rechtsansprüche auf zwei bisher neutrale favoyische Provinzen erhob, 
blieb ohne Unterstützung. Preußen und Rußland beschränkten sich darauf, diese 
Vergrößerung Frankreichs als Thatsache anzuerkennen. 
Kap. 167. Der Umsturz des Königreichs Sicilien. 
(Umriß II. 90.) 
(1.) Unterdessen war in Neapel der König Ferdinand II., welcher lange 
den französischen und englischen Anforderungen festen Widerstand geleistet 
hatte, gestorben und sein noch junger Sohn Franz II. zur Regierung ge¬ 
kommen. Da hier wie auf Sicilien die Revolutiouspartei schon längst 
vorgearbeitet hatte, so war es dem General Garibaldi mit den auf piemon- 
tesischem Gebiete unbehindert gesammelten Freischaaren ein Leichtes, mit Eng- 
lands Zulassung, bei Marsala auf Sicilien (11. Mai 1860) zu landen, sich 
zum Herrn der Hauptstadt Palermo zu machen und als Dictator an die 
Umformung Siciliens zu gehen. 
_ Als auch im Neapolitanischen, wo König Franz, um sein Reich zu retten, 
eine Constitution und Amnestie verlieh, die Unterwühlung weit genug ge- 
diehen war, landete Garibaldi in Calabrien und rückte, theils vom 
Zauber seines Namens, theils vom Verrath unterstützt, bis vor Neapel. Da 
zog sich Franz mit dem getreuen Theile seines Heeres hinter den Volturno 
zurück und schloß sich, da er sich hier nicht halten konnte, in Gaeta ein. 
Nun hielt Victor Emanuel mit Garibaldi seinen Einzug in Neapel, worauf 
letzterer die Dictatur niederlegte und sich auf die Insel Caprera begab, um 
dem Könige die Leitung zu überlassen. 
(2.) Noch aber hielt sich König Franz in Gaeta. Auf der Landseite durch 
bie heftigste Beschießung bedrängt, bekamen die Belagerten ihren Lebens- uud 
Kriegsbedarf von der Seeseite, so lange die französische Flotte, welche den 
Hafen besetzt hielt, den König schützte. 
Dittmar, Leitsydcn der Weltgesch. 7. Aufl. 14
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.