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763. Herbstlieö.
Friedrich von Lallet» Gesammelte Gedichte, Leipzig (Reclam), o. I., S. iS.
1. Durch die Wälder streif' ich munter,
Wenn der Wind die Stämme rüttelt
Und mit Rascheln bunt und bunter
Blatt auf Blatt herunterschüttelt.
2. Denn es träumt bei solchem Klange
Sich gar schön vom Frühlingshauche,
Von der Nachtigall Gesänge
Und vom jungen Grün am Strauche.
3. Lustig schreit' ich durchs Gefilde,
Wo verdorrte Disteln nicken;
Denk' an Maienröslein milde
Mit den morgenfrischen Blicken.
4. Nach dem Himmel schau' ich gerne,
Wenn ihn Wolken schwarz bedecken,
Denk' an tausend liebe Sterne,
Die dahinter sich verstecken.
764. Herbstlreö.
Friedrich von Bodenstedt-
1. Der Himmel ist grau umzogen,
Es glänzt kein Sonnenstrahl,
Aschgraue Nebel wogen
Feucht über Berg und Tal;
Kalt pfeift der Wind aus Norden,
Vom Baume weht das Blatt —
Nun ist es Herbst geworden,
Wir müssen heim zur Stadt.
2. Wie klingt so traurig heute
Der Herde Glockengeläut,
Als ob es zu Grabe läute
Die schöne Sommerzeit!
Trüb hüllen Wiesen und Felder
Sich in den Nebelflor,
Nur Fichten- und Tannenwälder
Dunkeln daraus hervor.
3. Lebt wohl, ihrscklankenTannen,
Ihr Wiesen, frisch und hell!
Wir müssen nnn von dannen.
Der Sommer floh so schnell;
Kalt weht der Wind aus Norden,
Die Blumen sind verblüht,
Herbst ist's im Lande geworden
Und herbstlich im Gemüt.
4. Die Lust wird sich erneuen,
Die Sonne wieder glühn,
Die Nebel sich zerstreuen,
Die Blumen wieder blühn.
Und klingen Waldeslieder
Von Lenzeslust und Glück,
Und kommt der Frühling wieder,
Kommen auch wir zurück.
755. Herbstgolö.
Ferdinand Avenarius, Wandern und Werden, Leipzig (Diederichs)^ 1898, S. 22.
1. Wie war's im Walde
Heut' wunderhold,
Die Wipfel alle
Von rotem Gold!
2. Golden der Boden,
Golden der Duft,
Fallende Blätter
Bon Gold aus der Luft!
3. Und es leuchtet
Aus Tod und Vergehn
Golden die Hoffnung
Aufs Auferstehn