152
Strand Plätze in den Städten oder den „Platz" in den Dörfern, mag er Spanien
oder Italien, Griechenland oder die mohammedanischen Länder besuchen.
Nur durch die Bedürfnislosigkeit und Billigkeit ist das Vorkommen der
zahllosen Bettlerscharen möglich, die nun einmal zu den Städtebildern des
Südens gehören. Nur diese Bedürfnislosigkeit erklärt auch die Billigkeit der
menschlichen Arbeit, die vielen Gewerben des Südens den Wettbewerb mit
dem Norden ermöglicht, ja die südländischen Arbeiter befähigt, in den nor¬
dischen Ländern die Einheimischen zu unterbieten. So bleibt im allgemeinen
den: Südländer im Kampfe ums Dasein mehr Zeit übrig, die er seinem
Vergnügen widmen kann, sei es, daß dieses im beschaulichen Nichtstun, im
Anteil an öffentlichen Angelegenheiten oder in geistiger und künstlerischer
Beschäftigung besteht. Es ist das ein Punkt, der bei der Entwicklung von
Kunst und Literatur wohl in Betracht kommt. Jede schöne Leistung kann
auf ein großes und feinsinniges Publikum rechnen, das ganze Volk bringt
ihr Interesse und Verständnis entgegen.
Anderssits geht das Klima der Mittelmeerländer in der Begünstigung
des Daseins nicht über einen vorteilhaften Grad hinaus. Es ist weit entfernt
von der erschlaffenden Gleichmäßigkeit des Tropenklimas; die Jahreszeiten
sind kräftig ausgebildet, härten den Körper ab und erheischen hinreichende
Bekleidung und Wohnung. Die Natur schenkt dem Menschen nicht mühelos
seinen Unterhalt, sondern zwingt ihn zur Arbeit. Ist es im Norden die Kälte
und die Unbeständigkeit des Wetters, so ist es hier die Trockenheit, mit der er
zu kämpfen hat. Die Körperbeschaffenheit der Mittelmeervölker zeigt im
allgemeinen zwar kleineren Wuchs, oft scheinbar zarteren Bau und geringere
Muskelkraft, als der Nordländer besitzt, dafür aber Ebenmaß und größere
Zähigkeit, Widerstandskraft und Gewandtheit. Immerhin erlaubt das
mildere Klima eine leichtere Bekleidung, eine unsolidere und offenere Bauart
der Häuser als bei uns. Es führt überhaupt dazu, daß das Leben im Freien,
wenigstens für den Mann, geradezu die Regel ist. Man betrachtet das Haus
im wesentlichen als Nachtquartier und als Unterkunft für die Habseligkeiten,
für die Frau und die Familie. Der Mann hält sich am Tage, außer den
Mahlzeiten und der Zeit der üblichen Nachmittags-Siesta (Ruhe), möglichst
draußen auf. Um auch der Familie den Genuß der freien Luft zu ermög¬
lichen, ist das Haus mit Hofraum und Veranden verschwenderisch aus¬
gestattet — soweit dem nicht die Enge der Städte entgegensteht. Es ist be¬
kannt, wie im Süden sich das Familienleben weit zwangloser an der Öffent¬
lichkeit vollzieht, wie man die Abgeschlossenheit und Heimlichkeit des Hauses
nicht kennt, auf die der Nordländer so großen Wert legt. Der Nachbar, der
Fremde darf jederzeit eintreten und ist willkommen; die weitherzigste Gast-
wird ausgeübt. Das ist im Grunde die Folge des wannen
1) Vgl. im Untertertia-Teil S. 261: Korsische Gastfreiheit.
t