Full text: [Teil 6 = Untersekunda, [Schülerband]] (Teil 6 = Untersekunda, [Schülerband])

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Strand Plätze in den Städten oder den „Platz" in den Dörfern, mag er Spanien 
oder Italien, Griechenland oder die mohammedanischen Länder besuchen. 
Nur durch die Bedürfnislosigkeit und Billigkeit ist das Vorkommen der 
zahllosen Bettlerscharen möglich, die nun einmal zu den Städtebildern des 
Südens gehören. Nur diese Bedürfnislosigkeit erklärt auch die Billigkeit der 
menschlichen Arbeit, die vielen Gewerben des Südens den Wettbewerb mit 
dem Norden ermöglicht, ja die südländischen Arbeiter befähigt, in den nor¬ 
dischen Ländern die Einheimischen zu unterbieten. So bleibt im allgemeinen 
den: Südländer im Kampfe ums Dasein mehr Zeit übrig, die er seinem 
Vergnügen widmen kann, sei es, daß dieses im beschaulichen Nichtstun, im 
Anteil an öffentlichen Angelegenheiten oder in geistiger und künstlerischer 
Beschäftigung besteht. Es ist das ein Punkt, der bei der Entwicklung von 
Kunst und Literatur wohl in Betracht kommt. Jede schöne Leistung kann 
auf ein großes und feinsinniges Publikum rechnen, das ganze Volk bringt 
ihr Interesse und Verständnis entgegen. 
Anderssits geht das Klima der Mittelmeerländer in der Begünstigung 
des Daseins nicht über einen vorteilhaften Grad hinaus. Es ist weit entfernt 
von der erschlaffenden Gleichmäßigkeit des Tropenklimas; die Jahreszeiten 
sind kräftig ausgebildet, härten den Körper ab und erheischen hinreichende 
Bekleidung und Wohnung. Die Natur schenkt dem Menschen nicht mühelos 
seinen Unterhalt, sondern zwingt ihn zur Arbeit. Ist es im Norden die Kälte 
und die Unbeständigkeit des Wetters, so ist es hier die Trockenheit, mit der er 
zu kämpfen hat. Die Körperbeschaffenheit der Mittelmeervölker zeigt im 
allgemeinen zwar kleineren Wuchs, oft scheinbar zarteren Bau und geringere 
Muskelkraft, als der Nordländer besitzt, dafür aber Ebenmaß und größere 
Zähigkeit, Widerstandskraft und Gewandtheit. Immerhin erlaubt das 
mildere Klima eine leichtere Bekleidung, eine unsolidere und offenere Bauart 
der Häuser als bei uns. Es führt überhaupt dazu, daß das Leben im Freien, 
wenigstens für den Mann, geradezu die Regel ist. Man betrachtet das Haus 
im wesentlichen als Nachtquartier und als Unterkunft für die Habseligkeiten, 
für die Frau und die Familie. Der Mann hält sich am Tage, außer den 
Mahlzeiten und der Zeit der üblichen Nachmittags-Siesta (Ruhe), möglichst 
draußen auf. Um auch der Familie den Genuß der freien Luft zu ermög¬ 
lichen, ist das Haus mit Hofraum und Veranden verschwenderisch aus¬ 
gestattet — soweit dem nicht die Enge der Städte entgegensteht. Es ist be¬ 
kannt, wie im Süden sich das Familienleben weit zwangloser an der Öffent¬ 
lichkeit vollzieht, wie man die Abgeschlossenheit und Heimlichkeit des Hauses 
nicht kennt, auf die der Nordländer so großen Wert legt. Der Nachbar, der 
Fremde darf jederzeit eintreten und ist willkommen; die weitherzigste Gast- 
wird ausgeübt. Das ist im Grunde die Folge des wannen 
1) Vgl. im Untertertia-Teil S. 261: Korsische Gastfreiheit. 
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