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Italiens zu decken? Erstlich wurden die Kriegsgefangenen dazu ver—
wendet, welche die Feldherren als Verherrlichung ihres Triumphes mit
nach Rom brachten oder aus fernen Ländern dem Volk als Geschenk
übersandten. Die aufständischen Gladiatoren, welche unter Spartakus,
einem geborenen Thraker, den gefährlichen Sklavenkrieg verursachten,
stammten größtenteils aus Spanien oder Thrakien.
Viele Kriegsgefangene aber, wie besonders die Sachsen, griffen
zum Selbstmord, um der Schmach zu entgehen, dem feindlichen Volke
zur Augenweide dienen zu müssen.
Einen zweiten Teil der Gladiatoren machten die zum Tode verdammten
Nichtbürger aus, die in der früheren Zeit wohl beinahe ausschließlich
dazu verwendet wurden. Die Begriffe „Schuldige“, „Sträflinge“ mögen
aber sehr weite gewesen sein, und in unruhigen Zeiten und von un—
gerechten Gewalthabern wurde es mit dem Schuldigerklären nicht genau
genommen. Während der Christenverfolgungen genügte oft schon das
Bekenntnis, zu den Galiläern zu gehören, um zum Fechterspiele ver—
urteilt zu werden. Doch rettete auch hier manchen der Nachweis des
römischen Bürgerrechtes; anders war es mit den Sklaven, die ohne viele
Umstände in die Fechtschulen verkauft werden konnten. Es gab Gladia—
torenhändler von Profession, die für den starken Bedarf durch Aufkaufen
von kräftigen Sklaven sorgten, zu welchem Zwecke sie mit den Seeräubern
oder den kriegerischen Nationen des Auslands in Verkehr traten.
Nicht selten kam es vor, daß freie Leute sich für Lohn und Kost
als Fechtersklaven verkauften und einen Schwur leisteten, daß sie sich
unweigerlich mit glühendem Eisen brennen, in Fesseln schlagen, peitschen
und mit dem Schwerte töten lassen wollten, überhaupt feierlich ihrem
Herrn Leib und Leben zu eigen gäben. Das Motiv dieser Erniedri—
gung bildete wohl meist die Verzweiflung über unnütz vergeundetes Leben
und Gut und das Unvermögen charakterloser Wüstlinge, Mangel zu
leiden, wenn auch Selbstverkäufe aus edleren Beweggründen sicher vor—
gekommen sein mögen. Oft trieb ein wirklicher Hang die Leute zu dem
grausamen Gewerbe, und bei manchen steigerte sich derselbe zur un—
bezwinglichen Leidenschaft. Überhaupt schwand sehr bald das Gefühl
für das Schimpfliche des Gewerbes, seitdem freie römische Bürger, selbst
Ritter und Senatoren, entweder aus niedriger Schmeichelei gegen die
Gewalthaber, oder, von denselben gezwungen, sich den Gladiatoren bei—
gesellten. Bereits bei Cäsars Festen erboten sich freiwillig Optimaten,
in die Arena hinab zu steigen, und er erlaubte es ihnen. Konnte es
ihm doch nur erwünscht sein, wenn sich die ihm verhaßte Aristokratie
vor den Augen des Pöbels mit gemeinen Fechterknechten herumschlug.
Ja sogar Frauen ließen sich willig finden, das Schwert gegen einander
zu zücken. Den Gipfelpunkt der Schrankenlosigkeit erreichte jedoch die
rohe Leidenschaft und die Blutschaulust des Volkes, als einzelne Kaiser
selbst Dilettanten der ehrlosen Kunst wurden, wie Caligula und Com—