Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

277 
heißt noch jetzt die Gesandtenstraßen Unter den mannigfach interessanten 
Gebäuden dieser zwar langen, aber nach unseren Begriffen doch ziem— 
lich engen und dusteren Straße, steht besonders eines, dessen vornehme 
Architektur an den italienischen Palaststil erinnert, und über dessen 
Thüre man den Löwen van San Marco, in Stein gemeißelt, erblickt. 
Es war einst die Residenz der venetianischen Gesandten. Hier und an 
den Ecken mehrerer anderer Straßen sieht man eiserne Ringe, Krampen 
und wohl auch noch rostige Ketten; mit diesen wurden die Straßen 
gesperrt, wenn „Gesandtentag“ war, bei großen festlichen Auffahrten 
des diplomatischen Korps u. s. w. 
Länger als das hl. römische Reich hat sein Oberpostmeister gelebt; 
in der That, schon volle 60 Jahre war jenes gefallen, als das Post⸗ 
horn der Thurn und Taxis noch lustig durch die Lande schmetterte. 
Wie viele unserer Zeitgenossen sind noch in dieser roten Kutsche ge— 
fahren, die nun auch von der Eisenbahn überholt ist. Verklungen 
läugst über Berg und Thal ist das Posthorn, aber auch im Hause 
Thuͤrn und Taxis ist es stiller geworden. Ihre Residenz in der 
alten, ehemals gefürsteten Reichsabtei von St. Emmeran zu Regensburg, 
ein mächtiger Gebäudekomplex, aus welchem Kirchtürme, Schloßkuppeln 
und die Dächer des Marstalles und der Reitschule hervorragen, ist 
ziemlich einsan geworden. In dem alten Kreuzgange befindet sich das 
Erbbegräbnis der Thurn und Taxis in welchem die jetzt regierende 
Fürstin Helene, eine bayrische Herzogin, oft und lange an dem Sarge 
ihres 1867 verstorbenen Gemahles weilt. 
So ist also auch Regensburg, die liebe, freundliche Stadt, ein 
Wahrzeichen der immerwährenden Vergänglichkeit und steter Neubildungen, 
wie fie überall, selten aber in so herzerfreuender und ergreifender 
Weise uns vor Augen treten. Rodenberg. 
68. Der Straßburger Dom. 
Je mehr ich die Fagade des Straßburger Domes betrachtete, desto 
mehr bestärkte und entwickelte sich jener erste Eindruck, daß hier das 
Erhabene mit dem Gefälligen in Bund getreten sei. Soll das Unge⸗ 
heure, wenn es uns als Masse entgegentritt, nicht erschrecken, soll es 
nicht verwirren, wenn wir sein Einzelnes zu erforschen suchen, so muß 
es eine unnatürliche, scheinbar unmögliche Verbindung eingehen, es 
muß sich das Angenehme zugesellen. Da uns aber allein möglich wird, 
den Eindruck des Muͤnsters auszusprechen, wenn wir uns jene beiden 
unverträglichen Eigenschaften vereinigt denken, so sehen wir schon hieraus, 
in welchem hohen Werth wir dieses alte Denkmal zu halten haben und 
beginnen mit Ernst eine Darstellung, wie so widersprechende Elemente 
sich friedlich durchdringen und verbinden konnten. 
Vor allem widmen wir unsere Betrachtungen, ohne noch an die 
Türme zu denken, allein der Fagade, die als ein aufrecht gestelltes,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.