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ichs doch nicht übers Herz bringen und winkte die Zigeunerinnen herbei,
daß sie mit uns essen sollten.
Sie waren auch nicht träge, die Einladung anzunehmen.
Aber nun hättest Du die Wirtin sehen müssen) Wütend kam sie
herbei gesprungen, riß uns samt den heidnischen Weibern die Schüssel
weg und rief: „Ihr seid so wenig wert, daß Ihr etwas zu essen
kriegt, wie das Zigeunervolk; denn Ihr wollt sie zum Diebstahl in
meinem Hause verleiten.“ Und zu gleicher Zeit faßte mich der Herbergs⸗
vater bei der Halsbinde. Da aber sprang mein Kamerad anf, wie
der gehörnte Siegfried im Heldenbuch, und brüllte den uralten Kriegs⸗
ruf der Handwerksburschen, wenns zum Prügeln geht: „Auf ihn, er
ist von Ulm!“ und hobelte als der tapferste Schreinergesell den Herbergs—
vater weidlich ab. Die andern Leute aus der Schenkstube aber sprangen
dem Wirt zu Hilfe. Hei, wie schlugen wir da drein und zeigten dem
Gesindel, daß ein deutscher Handwerksbursche nicht bloß mit dem Hut
in der Hand, sondern auch mit den Fäusten fechten kann! Aber bald
war ich Hammer und Amboß zugleich, allmählich mehr Amboß als
Hammer, und nach acht Minuten standen wir beide unter Sankt Peters
Himmelsschlüssel vor der Hausthür, und die Zigeunerweiber mit uns,
und auf meinen zerrissenen Rock deutend, von dem die Fetzen abfielen,
und auf meine blutende Nase, rief mir der Herbergsvater höhnend aus
dem Fenster nach: „Wo man haut, da fallen Spaäne.“
So zogen wir fürbaß, und schon kam mir die Reue, daß ich den
Burgfrieden der Herberge meines eigenen Zeichens gebrochen hatte.
Die Alte bot uns zum Danke, gleichsam als Feldzulage nach bestandener
Schlacht, ein Stück Geld an. Wir nahmens aber nicht, obgleich es
eine gar verlockend glitzernde, funkelneue Münze war. Da trat das
braune Mädchen zu mir, drückte mir die Hand, schaute mich mit den
großen, schwarzen Augen durchdringend an und flüsterte mir ein paar
Worte zu. Die habe ich nicht verstanden, aber daß es Worte des
heißesten Dankes sein sollten, das habe ich berstanden.
So trennten wir uns.
I
Dem Handwerksburschen ist in den Grenzstädten oft eine harte
Prüfung vorbehalten — er muß sich über sein Reisegeld ausweisen.
Der Grenzen aber gabs selbige Zeit noch gar viele im heiligen römischen
Reich, und überall ward ein anderes Reisegeld gefordert. Der Satz,
daß guter Mut halbes Zehrgeld sei, galt nur selten vor den Bürger⸗
meistern und Stadthauptleuten; sie wollten uur immer das ganze
Zehrgeld sehen und kümmerten sich nicht um den guten Mut.
So lange ich mit meinem Kameraden, dem Holsteiner, gewandert
war, hatten wir uns mit einem altüberlieferten Handwerksburschenkniff
durchgeholfen. Wir thaten nämlich vor dem Amthause das gemein⸗
schaftliche Vermögen zusammen, und so mochte die Summe fur den