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35. Hugo von Trimberg.
Von ihm besitzen wir ein
Meichung des Lebens mit einem
dieses Gleichnifses die Menschen
Lehrgedicht, der Renner genannt. Von der Ver—
Birnbaume ausgehend, schildert er an der Hand
und ihre Sitten. Er lebte um 1300.
Von Worten.
Der besten Gaben eine,
Die Golt hat gegeben
Dem Menschen n diesem Leben
An Lelb und Seel, das find dic Wort.
Sie reinigen wie Feuen, unser Kraft
sind sie und Hort.
Wer sie kann richtig e
Treu und Weishei mit Sitte pflegen,
Des Sehre ist wie ein Maienregen,
Dem Gott gegeben seinen Segen.
Wer aber ermattet an der Thre
Daß er fich dem Vaster zukehre,
Dessen Worte und Werke fnd Gott
nd alb Nn Seinen ein arger Spott.
Mancher Mann sein Wort verschließt
So sehr, daß Reden Nn verdrießt;
Mit Worten mancher überfließet,
Dessen Reden niemand r genießet.
Böse Wort und böse Werk
Haben die von Lafterbaäg;
Gutes Wort und gute Werk
Haben die von Tugendberg;
Gutes Wort und üble Werk
Haben die von Trügenberg.
Wir haben zwei Ohren und enen Mund
Von Natur, damit uns kund,
Daß wir viel mehr hören sollen ohne
Klagen,
Als mit dem Munde Worte sagen.
Worte erweichen manchen Zorn,
Von Worten werden Sreund oft ver⸗
ormn;
Worte erhalten die Christenheit,
Worte gehen beides, Lieb und VLeid.
Worte schließen auf des rns
Schrein,
Der lange schon mochte verschloffen sein.
Worte khun Gutes und übles kund;
Mancher Mensch von Worten ward
gesund.
A. Sch.
36. Urich Boner.
, Predigermönch in Bern, lebte in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts.
Seine Fabelsammlung „Der Edelstein“ erschien 1461 zu Bamberg.
Eines Tages das geschach,
Daß ein 5 zu seiner Mutter sprach,
Und klagt ihr bitterliche Not,
Denn er war krant und nah am Tod.
Er sprach: ‚Viel liebe Mutter mein,
98 glaub', es wird nicht anders fein
ls daß ich muß sterben.
Soll ich dann auch verderben
Ui der Seel, das wär' mir leid.
Sieh' meine Můheseligkeit
UInd bitt die Goͤllen daß sie sich
Vollen erbarmen uher mich
Die Mutter sprach: „Mein ebes Kind,
Die Wotter sehr erzürnet sind,
Du Nst ewect der Götter Zorn,
ð fürcht', du werdest sein verlor'n.
ie werden schwerlich es vergessen,
Was sie ils Wohn dir zugemessen
Weil du viel übles bast ethan
Von später Reue.
Aus urt nur kommt dich Reue an.
Die Reue ist zu spät gekommen,
Sie mag dir nun gar wenig frommen.
VNachreue, die ist selten gut.
Wich dünkt, der habe dummen Mut,
Der, wenn gestohlen die Rosse all,
Erst will beschließen seinen Stall
Die Reu der Seele nimmer frommt,
Die nur aus Todesängsten kommt.
Ein Wolf war siech, da er genaß
Blieb er ein Wolf, wie er erft was.
du nicht erzürnet Gott
nd übertreten sein Gebot,
Und hättest du weder Welb noch Mann
Betrüht und hättest du abgethan
Die hösen Werke deiner Innn
Und dich gehalten in der Tugend,
So möchte dich wel Gott erhören
Und deiner Seele Gnad gewaähren.
A. Sch.