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Gefahr und dem blutigen Ernste der Produktionen steigerte, und daß
endlich menschliche Todeszuckungen seine liebste Zerstreuung bildeten.
Und dieser barbarischen Liebhaberei frönte nicht etwa vorherrschend
der rohe und müßige Pöbel der Hauptstadt, der, aus allen Provinzen
des Reiches zusammengeflossen, allmählich gar nicht mehr den römischen
Namen verdiente, sondern alle Stände und Alter waren von leiden—
schaftlicher Spannung auf die Gladiatorengefechte erfüllt. Selbst das
weibliche Geschlecht trat aus den Schranken der Sittsamkeit und Be—
scheidenheit heraus und that es in der Freude an der Blutarbeit den
Männern gleich.
Die Gladiatorenspiele waren ursprünglich Leichenspiele zur Sühne
und Ehre Verstorbener und hatten in Etrurien, ihrem Stammlande,
nach und nach die Stelle wirklicher Menschenopfer vertrelen. Auch in
Rom dachte man zuerst nur an die Verherrlichung der Manen. Denn
das erste Gladiatorenspiel sah man hier im Jahre 264, wo Decius und
Markus Brutus drei Paare auf dem Ochsenmarkt zu Ehren ihres Vaters,
eines gewesenen Konsuls, auftreten ließen. Kaum ein halbes Jahr—
hundert später war der Luxus schon so weit gestiegen, daß die drei
Söhne des M. Amilius Lepidus beim Leichenbegängnisse ihres Vaters
22 Paare auf dem Forum kämpfen ließen.
Das Gladiatorenwesen erhielt seine letzte Ausbildung und seine
großartigste Gestaltung im letzten Jahrhundert der Republik. Da es
nämlich kein sichereres Mittel gab, die Volksgunst zu gewinnen, als
die Kampfspiele, so wurden dieselben bei den verschiedensten Gelegen—
heiten zum Zweck der Amtserschleicherei angewendet, und beim Zerfallen
des Freistaates benutzten die Mächtigen die Gladiatorenbanden als Werk—
zeuge des Angriffes und der Verteidigung im Parteikampfe. Damals
schon und die ganze Kaiserzeit hindurch war es gewissen Magistrats—
personen als amtliche Verpflichtung aufgebürdet, dem Volke seine Lieb—
lingskurzweil zu verschaffen. Cäsar ließ als Ädil 320 Paare auftreten,
und wie groß überhaupt die Zahl der dem blutigen Tode verfallenen
Werkzeuge des Vergnügens in der Hauptstadt endlich wurde, erkennt
man daraus, daß Augustus in seinem Testamente sich rühmen konnte,
er habe mehr als 10000 Gladiatoren dem Amphitheater geliefert. Einst
ließ er von 3000 Mann auf 30 Galeeren auf der Tiber die Schlacht
bei Salamis aufführen, und Nero ahmte ihm hierin nach. Das groß—
artigste Schauspiel dieser Art veranstaltete Claudius auf dem Fuciner—
See zwischen Rhodiern und Siciliern. Neunzehntausend Mann auf
ungefähr 100 Drei- und Vierdeckern kämpften hier mutig um ihr
Leben, während die kaiserliche Leibgarde ringsherum jeden Fluchtversuch
hinderte, und die Hügel und Ufer des Gewässers von Zuschauern wim—
melten.
Woher kamen aber die Massen von Menschen, welche nötig waren,
den Bedarf an Fechtern in Rom und bald auch in den andern Städten