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gab, aber noch mehr, daß er sich mit so guter Laune darein gefunden
und vor den kalten Tagen des Mai den Hut abgenommen hatte.
Mit rührendem Anteil sammelte das Volk jede Lebensäußerung
des Königs, in der eine menschliche Empfindung, die sein Bild ver¬
traulich machte, zutage kam. So einsam sein Haus und Garten war,
unablässig schwebte die Phantasie seiner Preußen um den geweihten
Raum. Wem es einmal glückte, in warmer Mondnacht in die Nähe
des Schlosses zu kommen, der fand vielleicht offne Türen, ohne Wache,
und er konnte in der Schlafstube den großen König auf seinem Feld¬
bett schlummern sehen. Der Duft der Blüten, das Nachtlied der Vögel,
das stille Mondlicht waren die einzigen Wächter und fast der ganze
Hofstaat des einsamen Mannes.
Noch vierzehnmal seit der Erwerbung von Westpreußen blühten
die Orangen von Sanssouci, da wurde die Natur Meisterin auch des
großen Königs. Er starb allein, nur von seinen Dienern umgeben.
Mit ehrgeizigem Sinn war er in der Blüte des Lebens ausgezogen,
alle hohen und prächtigen Kränze des Lebens hatte er dem Schicksal
abgerungen, der Fürst von Dichtern und Philosophen, der Geschicht¬
schreiber, der Feldherr. Kein Triumph, den er sich erkämpft, hatte
ihn befriedigt. Zufällig, unsicher, nichtig war ihm aller Erdenruhm
geworden; nur das Pflichtgefühl, das unablässig wirkende, eiserne, war
ihm geblieben. Aus dem gefährlichen Wechsel von warmer Begeiste¬
rung und nüchterner Schärfe war seine Seele heraufgewachsen. Mit
Willkür hatte er sich poetisch einzelne Menschen verklärt, die Menge
die ihn umgab, verachtet. Aber in den Kämpfen seines Lebens ver¬
lor er den Egoismus, verlor er fast alles, was ihm persönlich lieb war,
und er endigte damit, die einzelnen gering zu achten, während sich
ihm das Bedürfnis, für das Ganze zu leben, immer stärker erhob.
Mit der feinsten Selbstsucht hatte er das Größte für sich begehrt, und
selbstlos gab er zuletzt sich selbst für das gemeine Wohl und das Glück
der Kleinen. Als ein Idealist war er in das Leben getreten, auch
durch die furchtbarsten Erfahrungen wurden ihm seine Ideale nicht zer¬
rissen, sondern veredelt, gehoben, geläutert; viele Menschen hatte er
seinem Staat zum Opfer gebracht, niemand so sehr, wie sich selbst.
Ungewöhnlich und groß erschien das seinen Zeitgenossen, größer
uns, die wir die Spuren seiner Wirksamkeit in dem Charakter unsers
Volks, unserm Staatsleben, unserer Kunst und Literatur bis zur Gegen¬
wart verfolgen.