An Grete schreiben ... Lerr Jesus aus dem Schlachtfeld. 27
Ich hab's Dir versprochen, so wahr ich's gekonnt,
ich weich' keinen Schritt, keinen Schritt aus der Front.
Da haschte ein Schuß mich; mein Mädchen, verzeihe;
doch morgen schon — steh' ich ■— in vorderster Reihe —"
Die Stimme schwieg . . . Noch ein Atemzug tief —
der Schreiber saß, als ob er schlief.
Dann hob er die Land, und sanft strich er nieder
dem lächelnden Knaben die Augenlider.
11. Äerr Jesus auf dem Schlachtfeld.
Eine Legende von Karl Nosner.
Es ging der Lerr Jesus über das Feld,
es schwieg das brüllende Dröhnen,
da lag in Wunden gar mancher Leld,
da klang viel Wimmern und Stöhnen.
And wo der Lerr Jesus einen sah,
da hat er ihn leise berühret,
und keiner, dem dies Leil geschah,
hat fürder Schmerz gespüret.
And manchen hat der Lerr gefragt:
„Was war es? — Du sollst es mir sagen —
was hat dich in dieses Morden gejagt?
Was ließ dich die Waffen tragen?"
And sprach der eine: „Dieser Streit
ist meiner Väter Vermächtnis,
tief eingebrannt sind Laß und Leid
in jedes Franzosen Gedächtnis.
Wir waren die große, stolze Nation,
dann kamen die deutschen Barbaren,
jetzt füllt es die Welt als erstickender Lohn:
Sie sind — und wir waren — wir waren!"
Da hat der Lerr Jesus trübe genickt
und ist zum andern geschritten
und hat sich fragend zu ihm gebückt:
„Warum hast du gestritten?"
Der sprach, und seiner Stimme Ton
klang müde und erstorben:
„Sie zahlen mir neun Schilling Lohn —