Full text: (Prosa) (Teil 7 - 9 in 1 Bande, [Schülerband])

Glaubens, des Glaubens, der in äußeren Dingen und Werken seinen 
Frieden sieht und sucht. Es ist ein wunderbarer Zug des Mittelalters, 
dieser Glaube, der „manchen Reichen zwingt, am Kloster sich arm zu 
schenken und zugrunde zu bauen", der den Sünder von Ort zu Ort, 
von Lande zu Lande treibt, um durch ein himmlisch Gnadenwunder 
Erlösung seiner Sünden zu erlangen, der ihn treibt, nach „Rom, der 
seligen Gottesstadt zu pilgern, um dort von hoher Wonne trunken 
und von süßen Schmerzen matt ein Ziel seiner Sündenqual zu finden, 
dieser Glaube, der manch' frommes Heer zum Heiligen Lande führte, 
um das Grab des Erlösers den rohen Heidenhänden zu entreißen." 
Diese Kraft und Macht des unfreien, halbfertigen mittelalterlichen 
Glaubens bewirkt, daß bei aller Freude an der schönen Natur, an Wald 
und Jagd ein eigener Zug durch jene Zeit geht, der den Menschen eine 
geheimnisvolle Gewalt in der Natur erkennen läßt. Wer allzusehr von 
ihrer Schönheit hingerissen wird, den trifft des Himmels Zorn als 
Lohn, weil er an Teufelswerk sich allzusehr erfreut. Bei aller äußeren 
Pracht, bei allem äußeren Glanze, der dem Mittelalter wie keiner 
anderen Epoche eigen ist, zieht dennoch ein tiefer unergründlicher 
Zwiespalt durch des Menschen Inneres, der ihn ausrufen läßt: 
Was soll der eitle Schimmer! 
Das beste Kleinod dieser Welt, 
Das fehlet mir noch immer! 
Dieses Kleinod, das manchen aus der Freude Kreis scheidet, um 
in Klostermauern der armen Seele Frieden zu suchen, ist Christus, nach 
dem des Menschen Herz im Mittelalter seufzt, daß er „des Busens 
stete Fülle und als ewig Zugendblut, als ewige Flamme des frommen 
Herzens Hüter werde", jener Dulder, der, wie es in dem Gesänge der 
Nonnen heißt, mit göttlichem Erbarmen am Kreuz die Arme ausgespannt 
und ausgerufen hat: 
Kommt her, kommt her von allen Orten! 
Ihr Toten sprengt des Grabes Pforten! 
Ich nehm' euch auf mit offnem Arm. 
Wir scheiden damit von jener Zeit und kehren zurück zur Gegenwart 
und unserem Dichter, der nicht jenes Glaubens lebte, obwohl er ihn 
besungen. Uhland hat nichts gemein mit jenen Männern der romantischen 
Schule, die durch die Bilder aus einer schönen Zeit, die voll von Aber- 
und Wunderglauben war, einen Damm aufstellen wollten gegen die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.