Full text: (Prosa) (Teil 7 - 9 in 1 Bande, [Schülerband])

Man hat sie freilich ebenso oft mißachtet, als jene Arbeiter die 
höhern Berufe mißachteten. Es erscheint wie ein lustig ernstes Spiel, 
wie eine Satire der blasierten Bildung auf sich selbst, daß in der 
philanthropischen Zeit vor und während der ersten französischen Revo¬ 
lution buchgelehrte Erzieher die vornehme Jugend wieder mit Gewalt 
zur Handarbeit zurückführen wollten, daß sie die Knaben bald an Homer, 
bald an der Hobelbank, bald mit dem lateinischen Wörterbuch, bald 
mit Hacke und Spaten arbeiten ließen, und die Lehrjahre Robinson 
Crusoes, der die ganze Geschichte und Arbeit der Kultur von unten 
herauf eigenhändig durchererziert, als einen rechten Musterkursus für 
die Wertung des praktischen, sauren Fleißes aufstellten. Larlstadt wollte 
grob und bäurisch mit einem Aderlaß kurieren, die Philanthropen mit 
einer Süßholzmirtur; aber beide waren einig in dem Grund- und Vuß- 
gedanken, daß nur die Rückkehr zur Handarbeit als der echtesten Arbeit 
neue Lebenskraft den verderbten sozialen Organismen bringen könne. 
Der gemeine Mann will den Fleiß mit Händen greifen können, 
oder er achtet ihn gering. Der Arbeitslärm verkündet den Ruhm der 
Werkstatt. Man sagt den Schlossern und Schmieden nach, es sei ihr 
Morgensegen, daß sie Gesicht und Hände in Ruß waschen; wenn sie 
dann auch den ganzen Tag blaumachen, so soll der Mann wenigstens 
schwarz aussehen, als habe er seit frühestem Morgen gar heftig ge¬ 
arbeitet. 
Doch stehen die Schlosser und Schmiede hier nicht allein; die Ge¬ 
lehrten machen es ebenso. Im vorigen Jahrhundert noch glaubten 
viele Pfarrer, ihre Predigten auch für die Dorfkirche mit Hebräisch, 
Griechisch und Latein spicken zu müssen. Richt etwa, weil sie die Kunst 
des heiligen Bernhard von Clairvaux zu besitzen wähnten, der mit 
Predigten in fremder Sprache eine Gemeinde, die kein Wort davon ver¬ 
stand, dennoch mächtig erbaut haben soll, sondern schlechtweg, damit die 
Bauern ihre rußigen Hände sähen und in dem Ruße den Fleiß. So 
prunkt mancher Schriftsteller mit tausend überflüssigen Zitaten: er hat 
seine Hände in Ruß gewaschen wie der Schlossergeselle. Rur die Ge¬ 
bildeten unter den Gelehrten ahnen bereits, daß eine weit höhere Form 
des Fleißes vielmehr diejenige ist, die den Stoff gründlich erschöpft, 
dabei aber den Ruß des Schaffens aufs sorgsamste verdeckt und be¬ 
seitigt. Bücher nachschlagen und ausschreiben gilt noch vielen für fleißiger, 
als eigne Gedanken selbständig entwickeln; man will eben den Fleiß 
mit Händen greifen, man will den Ruß sehen. „Sitzfleisch" heischt man
	        
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