34 VII. Drei Kaiser
rung der Nationalität des Volkes, dem er als deutscher Fürst angehört
hatte — daß der Kaiser auf die Entwicklung, welche die Lösung dieser
Aufgabe inzwischen genommen hatte, mit einer Befriedigung zurück¬
blickte, welche den Abend Seines Lebens verschönt und beleuchtet hat.
Es trug dazu namentlich in den letzten Wochen die Tatsache bei, ,daß
mit einer seltenen Einstimmigkeit aller Dynastien, aller verbündeten
Regierungen, aller Stämme in Deutschland, aller Abteilungen des
Reichstags dasjenige beschlossen wurde, was für die Sicherstellung der
Zukunft des Deutschen Reichs auf jede Gefahr hin, die uns bedrohen
könnte, als Bedürfnis von den verbündeten Regierungen empfunden
wurde. Diese Wahrnehmung hat Seine Majestät mit großem Troste
erfüllt, und noch in der letzten Beziehung, die ich zu meinem dahinge¬
schiedenen Herrn gehabt habe — es war gestern — hat (Er darauf Bezug
genommen, wie Ihn dieser Beweis der (Einheit der gesamten deutschen
Ration, wie er durch die Volksvertretung hier verkündet worden ist, ge¬
stärkt und erfreut hat.
Ich glaube, meine Herren, es wird für Sie alle erwünscht sein, die¬
ses Zeugnis, das ich aus eigner Wahrnehmung für die letzten Stimmun¬
gen unseres dahingeschiedenen Herrn ablegen kann, mit in Ihre Heimat
zu nehmen, weil jeder einzelne von Ihnen einen Anteil an dem Ver¬
dienste hat, welches dem zugrunde liegt.
Meine Herren, die heldenmütige Tapferkeit, das nationale hochge¬
spannte (Ehrgefühl und vor allen Dingen die treue, arbeitsame Pflicht¬
erfüllung im Dienste des Vaterlandes und die Liebe zum vaterlande,
die in unserem dahingeschiedenen Herrn verkörpert waren, mögen sie
ein unzerstörbares (Erbteil unserer Ration sein, welches der aus unserer
Mitte geschiedene Kaiser uns hinterlassen hat! Das hoffe ich zu Gott,
daß dieses (Erbteil von allen, die wir an den Geschäften unseres Vater¬
landes mitzuwirken haben, in Krieg und in Frieden, in Heldenmut, in
Hingebung, in Arbeitsamkeit, in Pflichttreue treu bewahrt bleibe.
2. Thronrede Wilhelm; II. am 25. Juni 1888?
mit tiefer Trauer im Herzen begrüße Ich Sie und weiß, daß Sie
mit mir trauern. Die frische (Erinnerung an die schweren Leiden Meines
hochseligen Herrn Vaters, die erschütternde Tatsache, daß Ich drei Mo¬
nat nach dem hintritt weiland Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm
berufen war, den Thron zu besteigen, üben die gleiche Wirkung in den
Herzen aller Deutschen, und unser Schmerz hat warme Teilnahme in
alten Ländern der Welt gefunden. Unter dem Drucke desselben bitte ich
(Bott, Mir Kraft zur (Erfüllung der hohen pflichten zu verleihen, zu
denen Sein Wille Mich berufen hat. . . .
Ich habe Sie, geehrte Herren, berufen, um vor Ihnen dem deut-
1 horst Kohl, a. a. (V. XII, S. 501 ff.