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habeln und Sehwänke, Märchen und Sagen.
Also wanderte der arme Heinrich traurig wieder in die Heimat
nach Schwaben, gab alle seine Besitzungen bis auf einen einsamen
Meierhof auf und zog sich auf diesen zurück. Da regte sieh das
Mitleid mit dem Elenden im Herzen des zwölfjährigen Töchterleins
des Meiers, und es pflegte sein treulich und kindlich, gleieh als sei
der Herr nicht unrein und ein Scheusal vor aller Weli. Nach einiger
Zeit erfuhr das Mägdlein auch, wodurch der Kranke zu heilen wãre,
und es ging ihr dureh das Herz, sie sei es, die den Herrn retten
könnte. In nächtlicher Stille pflegte sie unter Thränen diesen Ge-
danken, und immer kräftiger wurde ihr Wille, ihr junges Leben zu
opfern, und immer inniger die Sehnsucht, dem Unglücklichen zu
helfen. 80 z0g sie denn mit ihrem kranken Herrn nach Salerno.
Hier stellte ihr der Arzt vor, welehen qualvollen Tod sie zu leiden
habe, und forschte sie noch besonders aus, ob aueh nicht Drohungen
ihres Herrn oder sonstige Gründe, ob vielmehr ganz reiner, freier
Wille sie zur Selbstopferung bestimme. Das Mägdlein blieb uner-
schütterlich; sie erklärte, es sei ihr fester Entschluss, ihren lieben
Herrn zu retten, und zagte auch nicht, als der Meister sich an—
schickte, sie zu töten. Als nun das Kind schon auf dem LTische des
Arztes lag, wurde endlich durch diess reine Güte auch das Hoerz
des Kranken bewegt, dass er nicht mehr wie früher leidenschaftlich
nach Heilung strebte. Sein Herz ergab sich Gott, da er sah, wie
dieses Kinderherz sich dem Herrn im Tode freiwillig zum Opfer
brachte. PDr demütigte sich und nahm seine RKraukheit willig
als PFügung Gottes an. Das Kind, verlangte er nun, solle nicht
gterben. Der Arzt erfüllte das Verlangen des Kranken, und dieser
zog mit der Geretteten in die Heimat zurück. Das Mägdlein freilich
war darüber, dass sie das vermeintliche Ziel ihres Lebens nicht er-
reieht hatte, bis in den Tod betrübt. Aber siehe, nachdem sich der
arme Heinrich recht gedemütigt hatte, nahm Gott den Aussatz
von ihm.
In Dankbarkeit und Liebe warbd er später um die Jungfrau,
und sie vard die Gemahlin des Herrn Heinrich, der durch sie nicht
allein vom Aussatz gerettet, sondern auch in der Seele umgewandelt
worden war.