Arndt.
[IV] 109
Ernst Moritz Arndt (1769 — 1860).
84. Los des Schönen (1802).
1. Die Rose blühet auf Dornen,
Die Nachtigall singet im Leide,
Was hoffest du irdische Freude,
Wo nirgends das Schöne besteht?
Die Blüten verwelkten und starben,
Dann klangen die Sicheln für Garben,
Doch manche der lieblichsten Blüten
Hat fruchtlos der Winter verweht.
2. Hier steh ich, pflücke mir Blumen,
Der Liebsten den Hügel zu schmücken.
Ich hoffte in Freuden zu pflücken,
Was brachte der lustige Mai.
Nun lieget mir still und begraben
Die schönste der irdischen Gaben,
Drum pflück ich die Blumen mit Thränen,
Die brachte der lustige Mai.
3. Klingt stiller, zärtliche Saiten,
Klingt still um die schlummernde Schöne!
Sie kannte den Wohllaut der Töne,
Der Seelen melodischen Klang.
Haucht, Blumen, die lieblichsten Düfte!
Die schläft in dem Schweigen der Grüfte,
Ging, Veilchen zu pflücken und Rosen,
Oft spielend die Auen entlang.
85. Des Deuntschen Vaterland.
1. Was ist des Deutschen Vaterland?
Ists Preußenland? ists Schwabenland?
Ists, wo am Rhein die Rebe blüht?
Ists, wo am Belt die Möwe zieht?
„O nein, nein, nein!
Sein Vaterland muß größer sein.“
Hessel, Lesebuch IV. Gedichte.