Full text: [Obertertia, [Schülerband]] (Obertertia, [Schülerband])

kehrte stumm in die Stube zurück. Er setzte sich auf die Ofenbank. Es 
ward finster. Die Mutter stöhnte. „Wollt Ihr was?" fragte der Sohn 
von der Bank her. 
„Er wird in die Stadt sein," jammerte die Kranke. 
5 „Der Bub?" rief entsetzt der Mann. 
„Er will fragen, ob Fried' ist im Land." 
„Mutter," schrie der Sohn, „Euch rechn' ich's zu, wenn er mir 
verdirbt?" 
Die Kranke murmelte Unverständliches. Ihre Zähne schlugen zu- 
iv sammen. Beide schwiegen. Es ward völlig Nacht in der Stube. Nur 
die Augen der Hauskatze leuchteten unter dem Ofen herauf. 
Als der Orion* über das Scheunendach schaute, stand der Mann 
auf, nahm das Horn von der Wand und verließ wortlos die Stube. 
Die Katze strich ihm nach bis an die Tür, dann sprang sie ans den 
15 Fenstersims. Aber es wehte ein kalter Zug herein. Mit ein paar 
Sätzen war sie wieder am Ofen, legte sich auf den alten Platz, und 
ihre Augen leuchteten nach dem Bette der Sterbenden hinüber. 
Der Nachtwächter war langsam hinaufgestiegen auf den Kirchhof¬ 
hügel und spähte in die schneelose Landschaft hinaus. Dann ging er lang. 
20 sam über den hellen Friedhof. An einem großen Grabhügel stand er stille. 
Hier lagen siebzehn, die auf zwei Tage an der Pest gestorben waren, 
darunter auch fein] Weib und zwei Mägdlein. Ein drittes, die Älteste, 
hatte das Kriegsvolk mitgeschleppt. Sie war nimmer heimgekommen. 
Nimmer heimgekommen! Da schnürte es ihm das Herz zu. Er 
25 dachte an seinen Buben. Aber wie er nun, um von neuem zu spähen 
und zu lauschen, das Antlitz hob, leuchteten ihn die Sterne so mild 
und tröstlich an, daß ihm die Augen feucht wurden. Er schaute nach 
dem Stand der Gestirne. Es war um die halbe Nacht. Er nahm 
sein Horn und blies die zwölfte Stunde. Dann schritt er den Hügel 
30 hinab. Als er von der sternhellen Höhe in die finstere Dorfgasse ge- 
treten war, da sah er eine hohe Gestalt die Dorfgasse heraufkommen. 
So hochgewachsen ist nur einer, jauchzte sein Herz, mein Bub! Mit 
raschen Schritten ging er ihm entgegen. Der Bursche kam langsam, 
er war barhäuptig, die Arme über der Brust gefaltet. Im Schatten 
35 einer Scheune stand er still. Halb freudig, halb verwundert trat der 
Vater ihm nahe. Aber ehe er fragen mochte, rief ihm der Sohn mit 
leiser, fremdartiger Stimme zu: „Vater, holt den Pfarrer, die Altmutter 
kann zum Nachtmahl." Und flüsternd fügte er hinzu: „'s ist Friede!" 
„Friede!" schrie der Mann und taumelte zurück. „Friede!" wieder« 
40 holte er, und die Tränen stürzten ihm aus den Augen, und er zitterte
	        
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