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aus der Fremde. — Das sind Bilder aus dem niedergaliläischen Bcker-
bauleben; droben in Gbergaliläa, an den wilden Bbhängen der höheren
Berge hal der Erzähler auch dem Hirtenleben zugesehen, hat gesehen,
wie die Hirten am Bbend ihre Herden in pferche zusammentrieben
und jeder die seinen kannte und von ihnen gekannt war; wie ein guter
Hirt seine hundert Schafe aus den Bergen zusammenhielt, und wenn
er deren eines verloren, ihm suchend nachging bis in die äußerste
Wildnis, um das gefundene liebreich auf seiner Bchsel zurückzutragen;
oder wie er dem Näuber, dem Wolf, kühn entgegenging, sein Leben
für seine Herde zu wagen. Wiederum andere Eindrücke bringen die
große Handelsstraße nach Damaskus, der schöne, blaue, bergumrandete
See Genezareth und die verkehrsreichen Stabte daran. Mit seinem
reichbeladenen Lasttier zieht dort der Kaufmann ins ferne Land, der
rührige, rastlose Mensch; er geht auf gute perlen aus — all sein
mitgenommenes Gut wird er hingeben, wenn er eine köstliche findet.
Und hier am Bande des Sees sitzen die Fischer; sie haben ihre Boote
aufs Land gezogen und lesen nun ihr großes Nundnetz aus; die guten
Fische sammeln sie in ihre Gesäße, die faulen werfen sie weg. Wir
treten ein in die Stabt; wir kommen auf den Markt; da stehen die
Tagelöhner von der Frühe an, vielleicht noch mittags, noch um die
neunte Stunde, und warten, daß ein reicher Mann komme und sie
dinge; da spielen die Kinder und streiten sich untereinander, was es
werden soll: jetzt wollen sie flöten, etwas Lustiges, eine Hochzeit spielen;
jetzt wollen sie wehklagen, einen Trauerzug ausführen. Und am Übend,
wenn des Tages Last und Hitze getragen ist, die Brbeiter vom Felde
heimkommen, stehen die Frauen plaudernd vor ihren Türen; eine
Nachbarin erzählt der anderen fröhlich, wie sie den einen ihrer er¬
sparten zehn Denare, den sie verloren, und um den sie das ganze Haus
umgekehrt, glücklich wiedergefunden. Dort aber strahlt ein festlich
erleuchtetes Haus; die Tür tut sich auf und geschmückte Jungfrauen
ziehen daraus hervor mit brennenden Lampen; sie wollen einen Bräu¬
tigam empfangen, der seine Braut, ihre Freundin, heimholen kommt.
Sie wollen nicht enden, die frischen, einfach schönen, scharf gezeichneten
Lebensbilder, die er nachmals als ein guter haushalter, wie er selbst
sagt, aus seinem alten Vorrat, aus seinen Jugenderinnerungen hervor¬
holt, um das Neue, die himmelreichslehre, damit in Verbindung zu
bringen und dadurch anschaulich zu machen. Sie bezeugen uns, daß
nichts Menschliches ihm fremd geblieben ist, daß er ein offenes Buge
und weites herz gehabt hat für das Kleinste wie für das Größte,
was um ihn her vorging, von dem Senfkörnchen im Garten und der
Brbeit der brotsüuernden Hausfrau bis zu der Treue eines Vater¬
herzens, das nicht anders kann als vor Erbarmen schmelzen beim Bn-
blick des» verlorenen Sohnes. Und doch hat ihn das alles nicht als
Irdisches, Natürlich-Menschliches hingenommen; erst als Sinnbild eines