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sammengeschrumpft und für das Experiment nicht mehr zugänglich:
kein Gebildeter, hin und wieder allenfalls noch eine „kluge" Frau,
ein weiser Schäfer oder sonst ein Wunderdoktor, glaubt mehr daran,
daß Bandwürmer aus Schleim der Eingeweide oder Spring- und
Peitschenwürmer aus verdicktem Geblüt entstünden.
Es war im Jahre 1848, als Siebold den Entwicklungskreis von
Mermis entdeckte. Er wies nach, daß jene Würmer, die aus den In¬
sekten auswandern, kurz vor der Geschlechtsreife stehen, daß sie in
feuchte Erde eindringen, hier einander aufsuchen, zu Knäueln sich ver¬
schlingen, geschlechtsreif werden, und daß die Weibchen zahlreiche Eier
hervorbringen. Die junge Brut, die aus diesen Eiern hervorgeht, „be¬
gibt sich näher an die Oberfläche ihres Geburtsorts und findet unter
Laub und Moos und unter der lockeren Humusdecke der Erde eine
Menge junger Insektenlarven, in die sie einwandern kann, um hier
wie ihre Eltern einige Zeit ein Schmarotzerleben zu führen, bis auch
sie nachher wieder zum Auswandern genötigt wird".
„Obschon wir darüber," sagt der nämliche große Naturforscher an
einer andern Stelle, „wie die Mermithen-Embryos in die Raupen der
Äpfel- und Birnmotte gelangen, noch keine direkten Beobachtungen be¬
sitzen, so glaube ich doch nicht, daß wir deshalb genötigt sind, um diese
Erscheinung zu erklären, unsere Zuflucht zur generatio aequivoca (der
Urzeugung) nehmen zu müssen. Könnte man sich nicht vorstellen, daß
diese Embryos, wenn sie an der Erde keine passenden Tiere zum Ein¬
wandern vorfinden, an den Stämmen und Ästen der Bäume hinauf¬
kriechen bis zu einer Stelle, wo sich junge Insektenlarven einnisten?
Im Frühling ist zu gewissen Zeiten stunden- und tagelang die ganze
Oberfläche an Bäumen und Sträuchern mit einem feuchten Duft be¬
schlagen, der jenen zarten und kleinen Würmchen gewiß ein passendes
und hinreichendes Medium ist, das ihr Fortkriechen unterstützt und
sie während ihrer Reise vor dem Vertrocknen schützt." Diese Ansicht
ist zweifellos richtig. Freilich von der Nachkommenschaft eines Weib¬
chens, wie viele oder besser wie wenige mögen endlich eine solche
Äpfelwicklerraupe finden! Ein ungeheurer Prozentsatz geht überhaupt
verloren, aber er kann verloren gehen, die Zahl der Nachkommenschaft
ist so groß, daß, wenn immer nur zehn von je hundert wieder fort¬
pflanzungsfähig würden, es in einigen Jahren gar nicht mehr In¬
sekten genug gebe, sie zu beherbergen.
Weniger glückte es Siebold, den Entwicklungsgang der Wasser-