Full text: Prosa (Teil 8, [Schülerband])

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seines Inhalts innig bewußt zu werden. Er opfert hierbei von dem 
Fremden das Zufällige, Äußerliche, ihm Unverständliche und gleicht 
diesen Verlust dadurch aus, daß er von seinem eignen, zufälligen 
Wesen soviel darein gibt, als nötig ist, den fremden Gegenstand klar 
und unentstellt zu sehen. Mit diesen natürlichen Bestrebungen nähert 
er sich in seiner Darstellung der fremdartigen Abenteuer der An¬ 
schauung ihrer rein menschlichen Beweggründe. So wird von Deutschen 
„Parzival" und „Tristan" wiedergedichtet. Während die Urschriften heute 
zu Seltsamkeiten von nur literar-geschichtlicher Bedeutung geworden sind, 
erkennen wir in der deutschen Nachdichtung poetische Werke von unver¬ 
gänglichem Wert. — In demselben Geiste trägt der Deutsche bürger¬ 
liche Einrichtungen des Auslandes auf die Heimat über, Im Schutze 
der Burg erweitert sich die Stadt der Bürger: die blühende Stadt 
reißt aber die Burg nicht nieder: die „Freie Stadt" huldigt dem Fürsten; 
der gewerbtätige Bürger schmückt das Schloß des Stammherrn. Der 
Deutsche ist konservativ; sein Reichtum gestaltet sich ans dem Eignen 
aller Zeiten; er spart und weiß alles Alte zu verwenden. Ihm liegt 
am Erhalten mehr als am Gewinnen; das gewonnene Neue hat ihm 
nur dann Wert, wenn es zum Schmuck des Alten dient. Er begehrt 
nichts von außen; aber er will im Innern unbehindert sein. Er' er- 
obert nicht, aber er läßt sich auch nicht angreifen. — Mit der Religion 
nimmt er es ernst. Unter Religionsfreiheit versteht er nichts andres 
als das Recht, mit dem Heiligsten es ernst und redlich meinen zu 
dürfen. Hier wird er empfindlich und disputiert mit der unklaren 
Leidenschaftlichkeit des aufgestachelten Freundes der Ruhe und Bequem¬ 
lichkeit. Die Politik mischt sich hinein: Deutschland soll eine spanische 
Monarchie, das freie Reich unterdrückt, seine Fürsten sollen zu bloßen 
vornehmen Höflingen gemacht werden. Kein Volk hat sich gegen die 
Eingriffe in seine innere Freiheit, sein eignes Wesen gewehrt wie die 
Deutschen: mit nichts ist die Hartnäckigkeit zu vergleichen, mit der der 
Deutsche seine völlige Vernichtung der Fügsamkeit unter ihm fremde Zu¬ 
mutungen vorzog. Dies ist wichtig; der Ausgang des Dreißigjährigen 
Krieges vernichtete das deutsche Volk: daß ein deutsches Volk wieder¬ 
erstehn konnte, verdankt es aber doch einzig eben diesem Ausgange. 
Das Volk war vernichtet; aber der deutsche Geist hatte bestanden. 
Es ist das Wesen des Geistes, den man in einzelnen hochbegabten 
Menschen „Genie" nennt, sich auf den weltlichen Vorteil nicht zu 
verstehn. Was bei andern Völkern endlich zur Übereinkunft, zur 
praktischen Sicherung des Vorteils durch Fügsamkeit führte, das konnte 
den Deutschen nicht bestimmen: zur Zeit, als Richelieu die Franzosen
	        
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