Full text: [Siebenter Teil = 3. Klasse, [Schülerband]] (Siebenter Teil = 3. Klasse, [Schülerband])

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108. Römticbe BUdCl*. Von ferdinatid ©regorovuis. 
Wanderjahre in Italien. 1. Band. 9. Auflage. Leipzig 1905. 8. 197. 
Unter der Erde. 
ines Abends lockte mich, da es die Totenwoche war, der 
Lichterschein in das Pantheon des Agrippa. Ein Priester 
predigte hier über das Fegefeuer mit großer Wärme, 
sonorer Stimme und in der theatralischen Weise, wie 
italienische Geistliche zum Volke reden. Im Pantheon 
des Agrippa machte seine Predigt einen geschichtlich 
überzeugenden Eindruck. „Denn," sagte der Mann, „wir 
wandeln hier auf lauter Staub; gedenkt nur der unzähligen Christen, welche 
einst Nero, Domitian, Decius und Diokletian den Tieren vorwarf, ans 
Kreuz schlagen und erwürgen ließ!" Die Stimme des Priesters hallte 
in der großen Halbdunkeln Rotunde mächtig wider, und das Echo schmetterte 
von dem Gewölbe: Nero! Domitian! Decius! Diokletian! daß es schien, 
als riesen diese schreckenden Namen die Geister Roms selbst herunter. 
Diese Pantheonpredigt bewog mich, die unterirdischen Grüfte Roms 
zu besuchen, in denen in dieser Woche feierlicher Gottesdienst gehalten 
wird. Da ist z. B. die Totenkapelle alla Morte am Ponte Sisto; in deren 
Unterkirche wollen wir hinabsteigen. Wir sehen hier wunderbare Dinge. 
Alle Wände und Decken sind mit den sonderbarsten Reliefs bekleidet, mit 
phantastischen Arabesken und Mosaiken bedeckt. Hier sind zierliche Blumen 
angebracht, dort Rosetten, hier Sterne und Kreuze; alles ist auf das 
sauberste gearbeitet, zusammengesetzt aus — Menschenknochen. Man möchte 
seinen Sinnen nicht trauen. Man denke sich nur eine unterirdische, von 
Kerzen hell erleuchtete Kapelle, gleichsam aus Schädeln und Gerippen 
erbaut, die mit Totenknochen ganz und gar überkleideten Wände aber rings 
besetzt mit einem Kranze von lebenden, atmenden Menschen, meist von 
Mädchen und Frauen und in Seide gekleideten Damen, welche reihenweise 
auf Stühlen umhersitzen, blühende Gesichter, lachend, kichernd, angelehnt 
an Moder und bleichendes Gebein, in einer von Fäulnis durchzogenen 
Atmosphäre und umwallt von dumpfen Weihrauchwolken. 
Ich setzte mich neben ein junges Mädchen, welches gerade unter 
einem grinsenden Gerippe saß und mit ihrer Nachbarin fröhlich von sehr 
lebendigen Dingen plauderte. Nachdenklich und fast erschreckt betrachtete 
ich den Knochenmann und feine junge Beute, über welche er beide Hände 
ausgestreckt hielt; denn das Mädchen saß so, daß es schien, als wäre es 
dem Skelett geradezu in die Arme gesunken. 
Ganze Gerippe stehen in den Nischen der Kapelle. Ein jedes hält in 
seinen Knochenfingern eine Schrift, meist eine Bitte an die Lebendigen, der 
Seelen im Fegefeuer eingedenk zu sein. Die saubere Kunst und der 
peinliche Fleiß, womit man die Knochen zur Dekoration verwandt hat,
	        
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