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Dingen in kleine Tempel, in denen irgendeine köstliche Wurst als Wurst¬
gottheit, als mythische Göttin Salami, verehrt zu werden scheint. Wie in
den Totenkapellen die Wände mit Schädeln und Menschengebein überkleidet
sind, so macht der Pizzicarolo seinen Laden zu einer graziösen Wurstkapelle.
Symmetrisch aufgeschichtete Käse bilden etwa die eine Wand, die andere
wieder mächtige Speckseiten, die weißen Kanten, welche mit Arabesken von
Gold- und Silberpapierstreifen überkleidet sind, zierlich herauskehrend. An
der Decke hängen zahllose Wurstzieraten, und einzelne Würste schweben
hier phantastisch unter bunten Blumen, Lorbeer- und Myrtenzweigen, nicht
minder anmutig als die schwebenden Bacchantinnen auf pompejanischen
Wandgemälden. Es sind ohne Zweifel höchst geschmackvolle Wurstfresken.
In der Mittelwand wölbt sich eine mysteriöse Grotte, und darin dreht sich
zwischen Schinken und Würsten ein Tempelchen mit — der Passion Christi,
das alle bezüglichen Figuren und Figürchen aufs beste sehen läßt. Überall
flimmern Ampeln und Lichter, und von Freude, Stolz und Fett strahlend,
steht der kunstreiche Wurstbildner hinter seiner Fleischbank und scheint der
hereindringenden Menge die großen Worte zuzurufen: „Auch ich bin
ein Künstler!"
Marionettentheater.
Die Piazza Montanara, zwischen dem Tarpejischen Felsen und dem
Tiber gelegen, ist einer der Sammelplätze des römischen Volkslebens,
namentlich für die untersten Schichten und das Landvolk. Alles sieht hier
erbärmlich und unsauber aus; was hier feilgeboten wird, läßt sich mit
Kupfermünzen bezahlen. Wer wird jene zahllosen Zigarrenstummel kaufen,
welche die Jungen von den Straßen aufgelesen haben, und die nun in
hölzernen Kisten zum Verkauf ausliegen? Der arme Mann und der
Arbeiter aus der Campagna kauft sie für seine Pfeife oder als Kautabak.
Es fehlt auch nicht der Straßenschreiber, welcher an der Ecke jenes Hauses
hinter seinem Tische sitzt, Papier und Feder vor sich und das großmächtige
Tintenfaß, aus welchem er mit derselben Geläufigkeit Liebesbriefe, Droh¬
briefe, Beschwerden und Bittgesuche aufzusetzen weiß. In dieser Gegend
hat das Marionettentheater sein passendes Lokal gewählt; es findet sein
Publikum an den Straßenjungen, an den Bettlern, Arbeitern und Hand¬
langern, die sich abends auch ergötzen wollen.
Das schmutzige alte Haus steht in einem Winkel, welchen eine Lampe
erhellt, wenn der Mond nicht hineinscheint. Wir können dreierlei Plätze
haben: im Paradiese für zwei Bajocchi, im Parterre für einen Bajocco
und auf dem Balkon für drei Bajocchi. Da wir vermögende Leute sind,
bezahlen wir den besten Platz.
Nachdem nun das Billett gelöst ist, gilt es, sich ins Haus zu schieben.
Dies ist aber kein geringes Unternehmen, denn die enge Treppe ist von
Jungen vollgepfropft, von denen jeder der erste sein will, und ein ohren¬