mann, der bald in der Bölle, bald in der Leine säße und mit List oder
Gewalt Menschen ins Wasser zöge. Hören wir etwas von ihm:
Eines Nachts fischten zwei Brüderpaare aus Hollenstädt in der
Bölle, da, wo sie in die Leine fällt; denn hier ist das Wasser rein und
klar und fischreich. Schon hatten sie einen guten Fang an Hechten und
Buttfischen gemacht, da hörten sie plötzlich von der Leine herüber drei
Hilferufe, die von einem Ertrinkenden zu kommen schienen. Sie liefen
nach der Stelle, bemerkten aber nichts. Im Dorfe sprachen sie von
diesem Vorfall nicht, weil sie ja nicht fischen durften und in Strafe ver¬
fallen wären, wenn es laut wurde. In der nächsten Nacht gingen sie
wieder zum Fischen und nahmen noch einen fünften mit. Abermals
hörten sie von der Leine her Hilferufe. Während der dritten Nacht
fischten die Brüder wieder allein an der bekannten Stelle. Wieder rief
die Stimme. . . Tags darauf wollte ein Knecht aus Hollenstedt, welcher
eingefahren hatte, am Mittag seine heißgewordenen Pferde im Wasser
abspülen und ritt mit ihnen in den Kolk hinein. Die hinteren Pferde
hatte er den vorderen an die Schwänze gebunden. Kaum umspülte die
kühle Flut ihre erhitzten Körper, als auch schon das Pferd, worauf er
faß, unterging. Der Knecht kam wieder hoch und rettete sich auf ein
anderes Pferd. Dieses ereilte dasselbe Schicksal. Mit ihm ging auch
der Knecht unter. Zwei Pferde entrannen der Flut, aber sie waren
blind, als sie herauskamen. So verlangte der „Wassermann" seine
Opfer. Der Glaube an ihn ist im Leinetal auch heute nocht nicht aus¬
gestorben. . .
Ich stehe bei der Mündung. Ich horche, schaue. . . O, dieser
Gischt der Wellen! Wie sie eilen! Wie sie sich drängen! Ich sinne. . .
Unwiederbringlich ziehen sie dahin! Alles Leben fließt, dort und hier,
bei Dir, bei mir. Ich lüfte den Hut und gehe. . .
An dich, lieb' Tal, zu aller Zeit
Gedenke ich in Freudigkeit! Karl Scheibe.
12. Hannover als kerzogUcke und kurfürstliche Residenz.
Beim auch die Stadt Hannover durch den Dreißigjährigen Krieg
nicht so heruntergekommen war wie andre Städte unseres Landes,
z. B. Northeim oder Göttingen, so war ihr Wohlstand doch für Jahr¬
hunderte geknickt, und gewiß wäre sie auf lange Zeit nur eine stille,
unbedeutende Landstadt geblieben, wenn nicht schon während des großen
Krieges der Keim gelegt wäre zu neuer Blüte und neuem Glanze:
Hannover wurde nämlich im Jahre 1636 durch Herzog Georg zur
Residenzstadt erhoben.
Die früheren Landesherren hatten meistens in Münden, Kalenberg
oder Neustadt am Rübenberge gewohnt; Herzog Georg, der kraftvolle
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