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Niederbrunn, wohin wir gelangten, war ein neues Zeugniß
hiervon. Er hatte diesen kleinen Ort den Grafen von Seiningen
und andern Theilbesitzern abgekauft, um in der Gegend bedeutende
Eisenwerke einzurichten. Hier in diesen von den Römern schon an¬
gelegten Bädern umspülte mich der Geist des Alterthums, dessen 5.
ehrwürdige Trümmer in Resten von Basreliefs und Inschriften,
Säulenknäufen und Schäften mir aus Bauernhöfen, zwischen wirth-
schaftlichem Wust und Geräthe, gar wundersam entgegenleuchteteu.
So verehrte ich auch, als wir die nahe gelegene Wasenburg
bestiegen, an der großen Felsmasse, die den Grund der einen Seite 10.
ausmacht, eine gut erhaltene Inschrift, die dem Mercur ein dank¬
bares Gelübde abstattet. Die Burg selbst liegt auf dem letzten Berge
von Bitsch her gegen das Land zu. Es sind die Ruinen eines
deutschen, auf römische Reste gebauten Schlosses. Von dem Thurm
übersah man abermals das ganze Elsaß, und des Münsters deut- 15.
liche Spitze bezeichnete die Lage von Straßburg. Zunächst jedoch
verbreitete sich der große Hagenauer Forst, und die Thürme dieser
Stadt ragten dahinter ganz deutlich hervor. Dorthin wurde ich
gezogen. Wir ritten durch Reichshofen, wo von Dieterich ein be¬
deutendes Schloß erbauen ließ, und nachdem wir, von den Hügeln 20.
bei Niedermodern, den angenehmen Lauf des Moderflüßchens am Ha¬
genauer Wald her betrachtet hatten, ließ ich meinen Freund bei einer
lächerlichen Steinkohlengruben-Visitation, die zu Dutweiler freilich
etwas ernsthafter würde gewesen sein, und ritten durch Hagenau, auf
Richlwegen, welche mir die Neigung schon andeutete, nach dem ge- 25.
liebten Sesenheim.
80. Fernsichten im Rheingau.*
Die Ruine des Schlosses Klopp liegt auf dem Gipfel eines
Weinberges, der, hoch und steil, sich dicht hinter Bingen erhebt,
und dessen jetziger Besitzer überall zwischen den Reben sehr an- 30.
muthige, mit Blumen und Bäumen geschmückte Spaziergänge an¬
legte, welche zu den schönsten Aussichten führen. Bei jeder findet
man ein bequemes Plätzchen zum Ausruhen. Unter diesen gefiel
mir vor allen ein kleines Kabinet, gerade am schönsten Punkte der
ganzen Gegend. Duftende Blumen und eine unweit davon ange- 35.
brachte Aeolsharfe sind die nächsten Umgebungen des kleinen trau¬
lichen Zimniers, welches eine gewählte Samnilung unsrer besten
Dichter, ein bequemes Sopha und einen wohl besorgten Schreib¬
tisch enthält. Es ist ein so unmuthiges ruhiges Plätzchen, daß es
mir schien, als brauchte ich nichts mehr von der Welt, wenn dies 40.
Cabinettchen nur mein wäre.
Hier übersah ich nun recht Bingens ganze herrliche Lage.
Rechts überblickt man die lachendste, vom Rhein durchströmte Land¬
schaft, einige seiner Inseln, die unzähligen Ortschaften des Rheingaus,
Johanna Schopcnhancr.