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sich da wo sie standen, erwürgen zu lasten. Waren nun ganze
Reihen zu Boden gestreckt, so zeigten sich immer neue Schaaren,
die auf eine ähnliche Abfertigung ins Reich der Schatten zu warten
schienen. Es war leichter sie zu tödten, als in die Flucht zu
5. schlagen; selbst ein Schuß mitten durch den Leib war oft nicht hin¬
reichend sie auf die Erde zu werfen. Nichts blieb daher den Preußen
übrig, als niederzumetzeln, was nicht weichen wollte. Der ganze
Russische rechte Flügel wurde also theils niedergehauen, theils in die
Moräste getrieben. Eine Menge dieser Flüchtlinge gerieth unter
10. die Bagage; die Marketenderwagen wurden geplündert, und der
Branntwein viehisch gesoffen. Vergebens schlugen die Russischen
Officiere die Fässer in Stücken, die Soldaten warfen sich die Länge
lang auf den Boden, um so den geliebten Trank noch im Staube
zu lecken. Viele hauchten besoffen die Seele aus, andere massacrirten
15. ihre Officiere, und ganze Haufen liefen wie rasend auf dem Felde
herum, ohne auf das Zurufen ihrer Befehlshaber zu achten.
So ging es auf dem rechten Flügel der Russen zu. Es war
Mittag. Auf ihrem linken Flügel war bisher noch wenig geschehen.
Nunmehr aber wurde auch dieser von den Preußen angegriffen;
20. allein die Regimenter, die hier dem größten bereits errungenen Siege
vollends das Siegel aufdrücken konnten, zeigten nicht ihre gewöhn¬
liche Tapferkeit. Sie vergaßen den Ruhm des Preußischen Namens,
verkannten ihre Kräfte, so wie die Macht ihrer taktischen Künste in
dem entscheidendsten Augenblick, und wichen im Angesicht ihres
25. Königs vor den geschwächten und schon halb geschlagenen Russen
zurück. Die Unordnung war groß, und alle Heldenthaten des
Preußischen linken Flügels schienen verloren zu sein, allein Seydlitz
kam mit seiner Cavallerie von diesem siegreichen Flügel herange¬
flogen, rückte in die von der weichenden Infanterie gemachte Oeff-
30. nung, hielt ein heftiges Musketen- und Kartätschenfeuer aus, und
nun drang er nicht allein auf die Russische Cavallerie, sondern auch
auf den bisher noch festgestandenen Theil der Infanterie ein, und
trieb den vorgerückten Feind, der schon einige Batterien erobert hatte,
in die Moräste. Dieses große Manöver der Reiterei wurde von
35. dem Kern der Preußischen Infanterie, den Regimentern Prinz von
Preußen, Forcade, Kalkstein, Asseburg und einigen Grenadier¬
bataillons, sämmtlich Truppen, die der König mitgebracht hatte,
vortrefflich unterstützt. Diese Veteranen, ohne auf das Zurück¬
weichen der neben ihnen stehenden Bataillons zu achten, das ihre
40. ganz entblößte Flanke in Gefahr setzte, waren beständig im Vor¬
rücken geblieben, und jetzt fielen sie zugleich mit der Cavallerie mit
gefälltem Bajonett die Russische Infanterie an, und zeigten Wunder
der Tapferkeit. Diese Angriffe waren so lebhaft, daß in dem Zeit¬
raum von einer Viertelstunde der größte Theil des Schlachtfeldes
45. von den Feinden verlassen war. Das Feuer hörte jetzt an allen
Orten auf. Die Munition fieng an zu fehlen. Man schlug und
stieß nun auf einander los mit Flintenkolben, Bajonetten und
Säbeln. Die Erbitterung beider Theile war unaussprechlich. Schwer
verwundete Preußen vergaßen ihre eigene Erhaltung, und waren