Full text: [Band 2, [Schülerband]] (Band 2, [Schülerband])

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XVI. 1 Nach dem Dome strömt das Volk, ^ Schwarz, un¬ 
zähligen Gewimmels, 3 Der empfieng des Helden Leib, "Seinen 
Geist der Dom des Himmels. 
16. Kaiser Rudolfs Grabritt. * 
5. (15. Juli 1291.) 
I. "Was wandelt denn durch's Land für Trauerkunde? 
Leute stehn und weinen an den Wegen, 3 Und alle Glocken klagen 
in die Runde. 
II. "Und einen Zug seh ich herab bewegen ^Zum Thale sich 
10. von Germersheim dem Schlosse 3Hub auf der Straße weit den 
Stailb erregen. 
III. "Und herrlich raget über all dem Trosse, ?Der weinend 
folgt und schmerzlich weheklagend, 3 Ein Greis hervor ans langsam- 
gehndem Rosse. 
15. IV. "Und Priester ihm zur Seite, Kreuze tragend, ^Gebete 
sprechend, feierliche Lieder 3 Mit Schluchzen singend, Segensworte 
sagend. 
V. "Und durch die Felder geht der Zug hernieder ?Zum 
Rheine hin; und alle Leute weinen 3 Und schau'n und fragen sich 
20. und weinen wieder. 
VI. "„Der Kaiser ist's, den diese Klagen meinen; ?Der 
Kaiser Rudolf ist's: er will mit denen, 3Die schon in Speyer 
schlafen, sich vereinen. 
VII. "Der Kaiser Rudolf ist es: da, wo jenen, ^Die vor 
25. ihm herrschten, ist das Grab bereitet, 3 Will er sein Haupt auf's 
Sterbekissen lehnen. 
VIII. "Der Kaiser ist's: er weiß, sein Engel leitet '^Jn 
dreien Tagen ihn zur Todespforte: 3 Der Kaiser ist es, der zu 
Grabe reitet!" — 
30. IX. " „Und er ist todt!" Mit solchem Schmerzensworte 2 Gehn 
Zähr' und Seufzer in das Land als Boten: 3„Rudolf ist todt." 
So klingt's von Ort zu Orte. 
X. "Und alles kommt und drängt und will mit rothen, 
2 Verweinten Augen nur noch einmal schauen, 3 Rur einmal noch, 
35. den heiß geliebten Todten. 
XI. 1 Es zeigen ihren Kindern ihn die Frauen: 2 „Seht, diese 
Hand ließ einst sich das verwaiste 3Deutschland als Braut in rechter 
Liebe trauen." 
XII. "Sie stehn und jammern; doch die allermeiste 2 Wehklag' 
40. erhebt ein Alter, dem am Kinne 3Und Scheitel längst die Locke 
schon ergreiste: 
XIII. "„Ihr Fürsten, gönnt mir Eins nur zum Gewinne, 
2 Rur Eins zum Trost. Ich schuf aus festem Steine 3 Einstmal 
sein Bild mit meinem besten Sinne. 
* Wilhelm Wackernagel.
	        
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