Full text: Literaturgeschichtliches Hand- und Lesebuch (Teil 10 = Klasse 2, 1 und Oberlyzeum, [Schülerband])

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IV. Die Dichtung im Zeitalter der Reformation. 
O 
12. Abschiedsweh. 
1. Achs Gott, wie we tut scheiden! 
Hat mir mein herz verwandt, 
So trab ich über d'Heiden 
Und trau'r zu aller stund. 
Der stunden der seind also vil, 
Mein herz tregt heimlichs leiden, 
Wiewol ich oft frölich bin. 
2. Het mir ein gärtlein bawen 
Von veil und grünem kle, 
Ist mir zu frü erfroren, 
Tut meinem herzen we; 
Ist mir erfrom bei sonnenschein 
Ein kraut Je lenger ie lieber, 
Ein blümlein Vergiß nit mein. 
15. Ansbruckt 
1. Jnsbruck! ich muß dich laßen, 
Ich fahr dahin mein straßen, 
In fremde land dahin; 
Mein freud ist mir genommen, 
Die ich nit weiß bekommen, 
Wo ich im ellend bin. 
2. Groß leid muß ich iez tragen, 
Das ich allein tu klagen 
Dem liebsten bulen mein; 
3. Das blünllein, das ich meine, 
Das ist von edler art, 
Ist aller tugend reine, 
Ir mündlein das ist zart, 
Ir euglein die seind hübsch und fein, 
Wann ich an sie gedenke, 
Wie gern ich bei ir wolt sein! 
4. Soll mich meins buln erwegen/) 
Als oft ein ander tut, 
Solt fürn ein frölichs leben, 
Darzu ein leichten mut, 
Das kan und mag doch nit gesein; 
Gesegen dich gott im herzen! 
Es muß gescheiden sein. 
Ich musz -ich lassen! 
Ach lieb, nun laß mich armen 
Im herzen dein erbarmen, 
Daß ich muß dannen sein! 
3. Mein tröst ob allen weiden! 
Dein tu ich ewig bleiben, 
Stät, trew, der eren frumm; 
Nun müß dich gott bewaren, 
In aller tugend sparen, 
Biß daß ich wider kumm! 
14. Der Schnitter Tod. 
1. Es ist ein Schnitter, heißt der Tod, 
Hat Gwalt vom großen Gott, 
Heut wetzt er das Messer,?) 
Es schneidt schon viel besser, 
Bald wird er drein schneiden, 
Wir müssens nur leiden. 
Hüt dich, schön's Blümelein! 
2. Was heut noch grün und frisch da 
Wird morgen weggemäht: ssteht, 
Die edel Narcissel, 
Die englische Schlüße!, 
Der schön Hyazinth, 
Die türllsche Bind: 
Hüt dich, schön's Blümelein! 
3. Viel hunderttausend ungezählt 
Da unter die Sichel hinfällt: 
Roth Rosen, weiß Liljen, 
Beid wird er austilgen; 
Ihr Kaiserkronen, 
Man wird euch nicht schonen: 
Hüt dich, schön's Blümelein! 
4. Das himmlische Ehrenpreis, 
Die Tulipan gelb und weiß, 
Die silbeme Glöckchen, 
Die güldene Flöckchen, 
Senkt alles zur Erden; 
Was wird nur draus werden? 
Hüt dich, schön's Blümelein! 
5. Ihr, hübsch Lavendel und Röselein, 
Ihr Pappeln1 2) groß und klein, 
Ihr stolze Schwertlilien, 
Ihr krause Basiljen, 
Ihr zarte Violen, 
Man wird euch bald holen: 
Hüt dich, schön's Blümelein! 
0 Verzichten. — 2) Sense, vgl. Str. 3,2. — 3) = Malven.
	        
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