Full text: Literaturgeschichtliches Hand- und Lesebuch (Teil 10 = Klasse 2, 1 und Oberlyzeum, [Schülerband])

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Meistergesang. 
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Macht habhaftig und reiche; 
Darum trag ein im sumer, 
Daß du nicht leidest kumer 
In deines alters Winter, 
Sorgfeltig spar hinhinter!" 
3. Faulkeit sprach: „gsell, merk eben, 
Hie ist kein ewigs leben, 
du bringst nicht mer darvane, 
Dann speis, ru, um und ane! 
Wem woltst dich hart peinigen? 
Bleib in der ru still ligen!" 
Sorg sprach: „folg meiner lere, 
Wilt haben preis und ere, 
So ste auf zu deim Handel, 
Verlaß der Faulkeit wandet, 
die dir reicht in dein Hände 
Spot, lasier, fund und schände!" 
Was mich frau Sorg lang wecket, 
Faulkeit mich wider decket; 
Frau Sorg mich heftig monet, 
Faulkeit mein zertlich schonet. 
In irem krieg und zanken 
Zwiespeltiger gedanken 
Ich als ein richter läge 
Bis drei stunt auf den tage. 
d. Jur Charakteristik -es Meistergesangs. 
Aus R. Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg. Mainz, o. I. Schott. 
Walther von Stolzing bewirbt sich um Eva, die Tochter des Goldschmiedes 
Veit Pogner, die dieser nur einem Meistersinger zu geben entschlossen ist. 
Damm will der junge sangesbegabte Ritter den Meistergesang erlemen und 
fragt eifrig den Lehrbuben Hans Sachsens, David, nach allen Einzelheiten 
dieser schweren Kunst. 
David: Mein Herr! der Singer Meister-Schlag 
Gewinnt sich nicht in einem Tag. 
In Nüremberg der größte Meister 
Mich lehrt die Kunst, Hans Sachs; 
Schon voll ein Jahr mich unterweist er, 
Daß ich als Schüler wachs'. 
Schuhmacherei und Poeterei, 
die lem' ich da all einerlei: 
Hab' ich das Leder glatt geschlagen, 
Lem' ich Vokal und Konsonanz sagen; 
Wichst' ich den Draht gar fein und steif, 
Was sich da reimt, ich wohl begreif'; 
Den Pfriemen schwingend, 
Im Stich die Ahl', 
Was stumpf, was klingend, 
Was Maß und Zahl, — 
Den Leisten im Schurz — 
Was lang, was kurz, 
Was hart, was lind, 
Hell oder blhtb1), 
Was Waisen, was Mylben^), 
Was Kleb-Sylbe:?), 
Was Pausen, was Kömer, 
Blumen und Dömer, 
l) Undeutlich. — 3) Verstümmelung des Wortes um des Reims willen. — *) Zu¬ 
sammenziehung zweier Silben, z. B. kein = keinem.
	        
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