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bald sichtbar in Form kleiner Bläschen als Nebel oder Wolken,
bald unsichtbar in Dunstform. Neben dem Wasser enthält die
Luft auch eine kleine Menge eines anderen gasförmigen und des¬
halb für das Auge nicht wahrnehmbaren Stoffes, nämlich Kohlen¬
säure. Dieselbe bildet sich überall da, wo Menschen und Thiere
athmen, indem sich der in der Atmosphäre vorhandene Sauerstoff
mit den unreinen Theilen des Blutes verbindet; ferner da, wo
Holz oder Kohlen verbrennen, und wo sich gährende oder faulende
Dinge befinden. Aus der Luft saugen die Pflanzen mit ihren
Blättern und übrigen grünen Theilen Kohlensäure in sich ein,
deren Kohlenstoff sie sich einverleiben. Daß sie wirklich eine große
Menge des letzteren enthalten, ersieht man daraus, daß man Holz,
Blätter, Früchte u. s. w. durch Anwendung eines gewissen Hitze¬
grades verkohlen kann. Im allgemeinen ziehen die Pflanzen mit
größeren Blättern mehr Nahrung aus der Luft als Pflanzen,
welche kleinere Blätter haben, so z. B. der Klee mehr als Roggen
und Gerste.
Wenn man bedenkt, daß aus einem ganz kleinen Samenkorn
nach und nach ein mächtiger Baum entstehen kann, so mag man
billig erstaunt sein über die wunderbare Lebenskraft, welche der
Schöpfer in den winzigen Samen gelegt hat. Aus einem Runkel¬
rübensamen kann in 6 bis 8 Wochen eine Rübe werden, welche
sechs Pfund, d. h. anderthalb Millionen mal so schwer ist, als das
ursprüngliche Gewicht beträgt. Soviel hat das Gewächs in dieser
kurzen Zeit an Nahrung aus dem Erdboden und der Luft in sich
aufgenommen.
Und nun merket noch: der zweite Bestandtheil jener für das
Wachsthum der Pflanzen unentbehrlichen Kohlensäure, der Sauer¬
stoff, wird unter dem Einflüsse des Sonnenlichts von den Blättern
wieder ausgeathmet, und es wird somit der Atmosphäre zurück¬
gegeben, was Menschen und Thiere zu ihrem Leben nothwendig
gebrauchen. So sorgen die Thiere für die Pflanzen durch Berei¬
tung der Kohlensäure, und die Pflanzen wieder für die Thiere
durch deren Zersetzung und durch Ausscheidung der Lebenslust.
Ist dieser innige Zusammenhang zwischen dem Thier- und Pflanzen¬
leben nicht eine wundervolle Einrichtung des allweisen Schöpfers?
Zeitschr. »Natur."
54. Ein Brief über einen Regen.
Lieber Vetter!
Hierniit füge ich Dir zu wissen, daß uns unser Herrgott nach
langem Warten heute mit einem gnädigen Regen heimsucht. Seit
einer Stunde regnet es in hellen Güssen und jetzt noch immerfort,