Full text: [Theil 7, [Schülerband]] (Theil 7, [Schülerband])

Brandenburg bis zum Regierungsantritt des Großen Kurfürsten. 
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der Landesregierung hatte die Städte und den Adel derart erbittert, daß sie selbst vor 
dem Landesverrat nicht zurückschreckten, als der Hochmeister Ludwig von Lrlichshausen 
den versuch machte, durch Auflösung ihres Bundes das Land unter die Botmäßigkeit 
des Ordens zurückzubringen. Der Hochmeister bat den König von Polen (Kasimir IV.) 
um Hilfe gegen die aufsässigen Bürger und Ritter, der preußische Bund aber trug 
dem Polenkönige kurzerhand die Herrschaft über das gesamte Ordensland an. Kasimir 
entschied sich gegen den Orden und begann den Krieg gegen den alten Feind. Drei¬ 
zehn Jahre lang durchtobte nun der Streit das ehemals so blühende Land. ^60 fiel 
die Marienburg in die Hände der Polen, und ^66 mußte der Orden im zweiten 
Thorner Frieden das heutige lvestpreußen an Polen abtreten und behielt den 
östlichen Teil seines Landes nur als polnisches Lehen. Das Ordensgebiet 
war jetzt vom Mutterlands abgeschnitten, und in lvestpreußen setzte eine syste¬ 
matische polonisierung ein, welche die Erfolge der Germanisation in diesem 
ältesten Teile des Grdenslandes zum guten Teil vernichtete. 
z. Im Jahre \525 säkularisierte der Hochmeister Albrecht von Hohenzollern 
den Rest des Ordenslandes und wandelte ihn in ein weltliches Herzogtum um, 
das aber natürlich unter polnischer Lehnshoheit verblieb. Als dieser erste Herzog von 
Preußen J568 starb und sein schwachsinniger Sohn Albrecht Friedrich die Herrschaft 
in Preußen antrat, wußte Kurfürst Joachim II. von Brandenburg vom Könige 
von Polen die Mitbelehnung in Preußen zu erlangen. 
q. Im Jahre J6J8 starb Herzog Albrecht Friedrich von Preußen. Kurfürst 
Johann Sigismund hatte wegen seines Übertritts zum Kalvinismus in Preußen bereits 
die heftigsten Anfeindungen der streng lutherischen Stände erfahren, und da auch der 
König von Polen wenig Lust bezeigte, das Herzogtum in brandenburgischen Besitz 
übergehen zu lassen, erschien die Aussicht aus die Erwerbung Preußens für das Haus 
Hohenzollern zunächst sehr zweifelhaft. Da geriet Polen durch den Angriff Gustav 
Adolfs in arge Bedrängnis, und da sowohl der polnische König als auch die preußischen 
Stände ein Zusammengehen Brandenburgs und Schwedens befürchteten, vollzog sich J6J8 
der Regierungsantritt Johann Sigismunds in Preußen ohne weitere Schwierigkeiten. 
2. „Der Übertritt des Kurfürsten Johann Sigismund vom 
lutherischen zum reformierten Bekenntnis (1613) . . . war ein erster Schritt 
ans dem Lager des kirchlichen und politischen Quietismus zu dem des streit¬ 
baren Protestantismus und der antihabsburgischen Opposition im Reich, an 
deren Spitze damals das pfälzische Haus stand." (Erdmannsdörffer.) 
a. Johann Sigismund hatte schon als Kurprinz in Heidelberg die 
lebendigere, kampfesfreudigere Richtung des Protestantismus 
kennen gelernt, die im Gegensatz zu der trägen Passivität des orthodoxen 
Luthertums nicht gewillt war, der gegenreformatorischen Politik des Kaiser¬ 
tums untätig zuzusehen. Der Kalvinismus stand dem weitherzigen und politisch 
einsichtigen Fürsten sowohl als Bekenntnisform wie auch in seiner politischen 
Färbung innerlich näher als das engherzige Luthertum. Aus aufrichtiger 
Überzeugung trat er darum zum reformierten Glauben über, nicht aus poli¬ 
tischen Rücksichten. 
b. Politische Vorteile konnten ihm aus dem Wechsel seines 
Glaubensbekenntnisses kaum erwachsen. Die orthodoxe Unduldsamkeit 
der märkischen und preußischen Stände und seines kursächsischen Nachbarn be¬ 
reitete ihm im Gegenteil viele Schwierigkeiten. „Je entfernter von jedem 
unmittelbaren oder berechneten Vorteil der getane Schritt ihm erschien, desto 
größer war die politische Bedeutung desselben. Denn dies sein neues Be¬ 
kenntnis war nicht bloß kirchlicher Natur. Es war eine andere, größere, 
lebensreichere Weltanschauung, für die er sich damit entschied. Es war der
	        
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