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Seydlitz ließ sich mit seinen Offizieren den Rest der Speisen wohl¬
schmecken, übergab einen Theil der Beute seinen Husaren, den ge¬
fangenen Troß aber schickte er ohne Lösegeld zurück. Die Franzosen
waren darüber eben so vergnügt, als ob sie ein Treffen gewonnen
hätten; der Muth zu fechten wuchs ihnen, und ihre einzige Besorgnis
war, daß der König ihnen entrinnen möchte. Einige seiner Märsche
und Stellungen bestärkten sie in dieser Vermuthung. Sie kannten
seine schnellen Bewegungen und Wendungen und seine Kriegskunst
überhaupt bloß aus Erzählungen, die aber wenig Eindruck auf sie
gemacht hatten. Ihre Hoffnung war nicht bloß ihn zu besiegen,
sondern seine ganze Armee aufzuheben; ja man warf im französischen
Lager die Frage auf, ob es auch Ehre ‘bringe, sich mit einem so
kleinen Haufen zu schlagen. Nie war kriegerischer Eigendünkel
stärker, und nie wurde er besser bestraft.
Es war am 5. November bei dem Dorfe Roßbach, eine Meile
von Lützen, wo Gustav Adolf gefallen war, als eine der sonder¬
barsten Schlachten geliefert wurde. Der König lockte die Franzosen
durch eine rückgängige Bewegung aus ihrer Vortheilhaften Stellung.
Sie glaubten, er suche sich aus ihren Händen zu retten, und be¬
mühten sich daher ihm in den Rücken zu kommen. Friedrich, der
sich wieder gelagert hatte, verließ sich auf die Geschwindigkeit, mit
welcher seine Truppen in Schlachtordnung gestellt werden konnten,
sah daher den Bewegungen der Feinde gelassen zu und ließ seine
Linien nicht einmal ausrücken. Das preußische Lager stand unbe¬
weglich, und da es eben Mittagszeit war, beschäftigten sich die Sol¬
daten mit ihren Mahlzeiten. Die Franzosen, welche dieses in der
Ferne sahen, trauten kaum ihren Sinnen; sie hielten es für
dumpfe Verzweiflung, in der man selbst auf alle Vertheidigung Ver¬
zicht leistet. Diese Erwartung war nicht wenig Ursache ihres so ge¬
ringen Widerstandes und ihres großen Schreckens. Der General
Seydlitz nämlich kam mit der preußischen Reiterei auf einmal hinter
einem Hügel hervor und stürzte wie ein Donnerwetter mit künst¬
lichen Wendungen auf den hoffnungstrunkenen Feind los. Was nie
auf einem Schlachtfelde erhört war, geschah hier; die leichtbewaff¬
neten Husaren mit ihren behenden Pferden waren verwegen genug,
die schwere französische Reiterei trotz ihrer kolossalen Rosse anzufallen.
Sie wurde über den Haufen geworfen. Soubise ließ die Nachhut
vorrücken; allein kaum zeigte sie sich, so wurde sie auch aus
dem Felde geschlagen. In eben dieser Zeit rückte das vorher so
ruhige preußische Fußvolk plötzlich in Schlachtordnung an und em¬
pfing die Franzosen mit einem entsetzlichen Kanonendonner. Hierauf
folgte ein regelmäßiges Gewehrfeuer wie bei Musterungen. Das
französische Fußvolk sah sich nun von seiner Reiterei verlassen und