216 B. Beschreibende Prosa. VIII. Bilder aus dem Völker- und Menschenleben.
Peru und Columbia und nur in den Staaten des Plata durch die er¬
staunliche Geschwindigkeit der Bewegung verschieden, durch welche der
Transport des Gepäcks erschwert wird.
V) Ein Bivouac auf den Anden.
Wir befanden uns in einer Region, wo das alte Chaos noch zu
thronen schien. Bruchstücke von rotem Porphyr, von denen die einzelnen
viele tausend Kubikfuß maßen, lagen aufgetürmt über einander und
bildeten eine furchtbare Masse von Zerstörung, die man hoch an den
Bergen hinauf verfolgte, die keine Pflanzen ernährte und von keinem
Tiere bewohnt wurde. Eine Felswand von außerordentlich glatter Ober¬
fläche starrte fast senkrecht empor, und ihr gegenüber bemerkte man die
andere Hälfte des zerrissenen Berges, der ersteren in allen Umrissen
und sogar in den größeren Ungleichheiten der Fläche entsprechend.
Die Höhe dieser Wände über dem Thale beträgt nahe an 2000 Fuß,
und sie dehnen sich in einer ungeteilten Masse aus. Man fühlt sich
fast unheimlich, wenn man an den außerordentlichen Aufwand von
Kraft denkt, welcher erfordert wurde, um solche Berge in der Mitte
zu spalten und die eine Hälfte einige hundert Fuß fortzuschieben; man
erschrickt im Gefühl der eigenen, Wehrlosigkeit, wenn die Phantasie sich
das Bild von den furchtbaren Äußerungen entfesselter Naturkräfte hin¬
malt, die einst hier wirkten und in demselben Augenblick von neuem
zu wirken vermögen. Fast war die Stunde des Sonnenuntergangs
herangekommen, ehe ein Ort entdeckt wurde, der zum Bivouac geschickt
schien. Obwohl man sich da in einer ziemlich engen Schlucht befand,
erhob sich doch auf der einen Seite ein kleiner, weniger schroffer Ab¬
hang, der zwar rings von Felsstücken umgeben war, aber doch einen
freien Überblick über die wunderbare Scene gewährte. Er war allein
mit spärlichem Grase bedeckt, und zu ihm hin ging der Zug unter
beschleunigtem Schritt, da selbst das müde Maultier es ahnte, daß es
der Arbeit entlassen werden würde. Der beste Platz wurde ausgewählt,
von Steinen möglichst gesäubert, das Reittier entsattelt und mit einem
langen Seil an dem grasigsten Orte angebunden. Nachdem die wenigen
Augenblicke der übrigen Helligkeit noch zur Aufstellung des Barometers
und zur Verpackung der gefundenen Pflanzen verwendet worden waren,
damit ihnen die Hitze des nächsten Tages nicht schaden möchte, ver¬
langten auch die häuslichen Sorgen einige Aufmerksamkeit. Ein Wacht¬
feuer ist in einem Bivouac selbst in einem tropischen Lande ein un¬
umgängliches Erfordernis; denn auch die mildeste Nacht erzeugt in
solchen Einöden einen unangenehmen Eindruck, wenn man sie im Dunkeln
verbringt. Die Höhe von 7500 Fuß, auf der wir uns befanden,
lieferte kein Holz mehr, selbst nicht einmal einen Strauch. Die Natur
hat jedoch auch hier für den Menschen gesorgt, wo sein Aufenthalt
nur ein kurzer, seine Besuche nur selten sein können. Eine Valeriana
wächst hier in außerordentlicher Menge, die, zwar von unansehnlichem
Äußern, doch das einzige Brennmaterial abgiebt. Zieht man an den
Stengeln, so löst sich das Wurzelgewebe, welches sehr lang und holzig