Die Lyrik unserer Tage.
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15. Der Frühlingsreiter.
Am Mitternacht
bin ich jäh erwacht.
Aufschlag hallte, ein Äorn erklang,
daß ich erschreckt ans Fenster sprang.
Der Mond schien hell,
und da kam es zur Stell':
ein Schatten voraus, dann ein milchweiß Roß,
darüber des Mondes Silber floß,
und ein Reiter ganz jung, einen blauen Kranz
im Gelock. Äell blitzte des Äornes Glanz
in der Faust, und er stieß in das Äorn hinein,
als sollte und müßte geblasen sein.
O, war das ein Klang
in dem Äorngesang!
Eine süße Kraft, eine blühende Kraft,
eine zitternde, quellende Leidenschaft,
ein Äerz und ein Jubel, ein seliger Schrei!
Ein Klingen, ein Leuchten — da war es vorbei.
Hatte mich ein Traum betört?
Richt einer hatte den Reiter gehört,
sie lachten mich alle am Morgen aus:
„Da kommt der Träumer, der Dichter heraus!"
Aber mein Töchterchen kam mit Hurra:
„Seht mal, die ersten Veilchen sind da!
Und ich glaube, auch Krokus und Narzissen
kommen schon." — Was wollt ihr noch wissen?
Ich lächelte nur und sagte: „Ja, ja,
ich weiß, die Veilchen sind wieder da."
Carl Busse
geb. in Lindenstadt in Posen 1872, lebt in Berlin-Niederschönhausen.
16. Über den Bergen.
Über den Bergen, weit zu wandern,
sagen die Leute, wohnt das Glück.
Ach, und ich ging int Schwarme der andern,
kant mit verweinten Augen zurück.
Über den Bergen, weit, weit drüben,
sagen die Leute, wohnt das Glück. . .