Wilhelme i. Kampf um die Vorherrschaft mit Österrreich. 265
Bis dahin vermochte Wilhelm in seinem Fühlen Österreich gegen-
über nicht allzuviel Unterstützung zu finden, am wenigsten bei den
Konservativen seines Landes. Diese scheuten ungläubig zurück vor der
bedenklichen Verwandtschaft solcher Ideen; jeder Gegensatz zu Österreich
ziehe mit Naturnotwendigkeit einen ganzen Drachenschwanz von liberalen
und nationalen Ideen nach sich, und gerade weil diese Ideen national
und liberal seien, erschienen sie zugleich als revolutionär und höchst ver-
dammenswert. Solches Grauen hatte derjenige längst überwunden, der
jetzt an des Königs Seite stand, — Bismarck. Zwischen Herrn und
Diener trat freilich noch manches Gegensätzliche; aber das gemeinschaft¬
liche Fühlen in Beziehung auf alles, was aus Österreich kam, überwog.
Der Gedanke an die Notwendigkeit, daß irgend einmal Abrechnung
mit Österreich gehalten werden müsse, solcher Gedanke mag zuweilen in
jedem Preußenherzen aufgestiegen sein. Aber jede Partei und auch die
beiden Könige Friedrich Wilhelm III. und IV. hielten gerade ihre Zeit
nicht für passend zu solch hartem Geschäft. Man hatte sich daran ge¬
wöhnt, die Hauptaufgabe für Preußen immer wieder auf irgend einen
anderen Zukunstszeitpunkt, auf eine andere Generation hinauszuschieben. —
Ging es denn an, mit dein bequemen hinausschieben fortzufahren in
alle Zukunft? Mußte nicht irgend einmal ein preußischer König sich
an seinen Schreibtisch setzen, in heißem Gebet sich mit seinem Gott ver¬
einigen und der Pflichten eingedenk werden, die einem großen König
obliegen? Pflichten, die darin gipfeln, der gesamten Menschheit und
der deutschen Menschheit insbesondere einen Anstoß zu geben zum Fort¬
schreiten in Größe und Einheit, zum Wettlauf mit den übrigen schon
vor langer Zeit geeinten Nationen? War es denn nicht ein riesiges
Erziehungswerk, vor das Preußen gestellt war durch die Stimme der
als Seher und Priester auftretenden Besten des deutschen Volkes? —
Ja, mußte sich denn nicht einmal ein Preußenkönig entschließen, fest
geankert in dem Gedanken: jetzt ist der Augenblick gekommen, um lange
Verschobenes, Versäumtes nachzuholen zum Besten des gegenwärtigen
wie des künftigen Geschlechtes? Bis dahin sind glückliche, sorglose
Menschen auf der deutschen Erde gewandelt; im jetzigen Augenblick
aber beginnt der Krieg; von dieser Minute ab, da ich diese Feder über
das Papier gleiten lasse, sollen die Menschen auf deutscher Erde buvd>
Blut und Tränen schreiten.
Sind nicht Geduld, Scharfsinn, Überredung, Schweiß, Reform,
Limsturz, — ist nicht das alles in Deutschland versucht worden, um zu
dem zu gelangen, wonach die herzen sich sehnten? Soll denn das
alles noch einmal durchgemacht werden? Sollte denn der ganze einer