Landarbeit und Kunst.
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vertrödeln; wir bekämpfen ihn, wenn wir ihre Arbeit und ihr Spiel
auf gediegene Ziele richten. Sie brauchen darum nicht minder fröhlich
zu sein.
Deshalb fertigen wir nicht Übungsstücke, sondern ganze Gegen--
stände. Auch in den Mädchenschulen sollten die Techniken der Nadel-
arbeit nicht an öden Mustertüchern, sondern an einfachen Ganzsachen
geübt werden, Täschchen und Kragen, Schürzchen und Puppenkleidchen,
Gebrauchsstücken für die kleinen Geschwister, für die eigene Kleidung,
für Paus und Wohnung. Ze sachlicher und zweckmäßiger jeder Gegen¬
stand schon auf den ersten Blick erscheint, um so mehr ist er wert für
die Erziehung.
Nun wissen wir wohl: die Kunst im Pandwerk beginnt erst da,
wo alle diese ethischen Ansprüche erfüllt sind. Die künstlerischen Pro¬
bleme der Form und der Farbe den Kindern nahezubringen, ist der
schwierigere Teil unserer Arbeit. Denn hier ist das Wort machtlos.
Pier kann der Lehrer nichts tun als zeigen und vormachen. Pier lernt
der Schüler nur durch Sehen und Nachmachen. Anschauung ist alles.
Zum Glück sind die Einsprüche der Kunst, wie wir sie heute ver¬
stehen, jenen Forderungen der Gesinnung nahe verwandt. Auch die
Kunst sehnt sich heute nach gediegener Schlichtheit, nach gesunder Klar¬
heit, nach dem Echten und Großen. Zn unserer Baukunst wie in
unserem Kunstgewerbe entscheiden nicht mehr die Einzelheiten, sondern
das Ganze: der Aufbau der Gruppen, die Gliederungen der Massen,
der Wohllaut der Verhältnisse, der Wechsel der Rhythmen, das Spiel
der Linien und der Amrisse. Diese wesentlichen Reize im Kunstwerk
zu sehen, zu suchen und zu würdigen, müssen unser Volk und unsere
Zugend lernen. Was die Kinder im Unterricht nachbilden oder schaffen,
sollte in diesem großen Sinne Form haben. Ihren Geschmack für
Flächenkunst können wir beim Zeichenunterricht üben, wenn wir sie
lehren, Zeichnung und Schrift, Bild und Rand harmonisch zu stimmen.
Aber das Wichtigere, das Gefühl für räumliche Schönheit in drei
Dimensionen, kann nur die Werkarbeit fördern. Nicht durch technische
Übungsstücke, sondern durch die Arbeit an ganzen Gegenständen von
sorgfältig erwogener, künstlerisch reifer Form.
Wenn alle großen Probleme der Form und der Farbe bedacht
und ins reine gebracht sind, erst dann sind wir befugt, uns auch in
einzelnen Zieraten zu versuchen. Daß jedes Ornament sich dem Ganzen
unterzuordnen hat, daß es sein Recht und seinen Wert nur aus dein
Ganzen empfängt, muß das Kind auf Schritt und Tritt empfinden.
Zch halte deshalb alles abstrakte Ornamentenspiel auf dem geduldigen