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91. Storch 
1. Es hat der Storch sein Nest 
gebaut; 
und als er froh umher nun schaut, 
hoch über allen Häusern, 
da sitzt vor ihm ein kleiner Spatz 
und bittet um ein wenig Platz 
zum Neste in den Reisern. 
und Spatz. 
2. Da spricht der Storch: „Mein 
Nest ist groß, 
du bist ein kleines Vöglein bloß; 
ich tu' dir nichts zu leide. 
Du bist in gutein Schutz bei mir, 
kein Mietgeld nehme ich von dir; 
's ist Platz hier für uns beide." 
3. Das Spätzlein dankt und baut sich an; 
der Storch hat ihm kein Leid getan 
und hat es nicht verstoßen. 
So wohnten beide lange Zeit 
in Frieden und in Einigkeit, 
der Kleine bei dem Großen. K. Enslin. 
92. Der Sperling. 
Diesen Graurock kennt jedes Kind. Man sieht ihn überall auf 
unsern Höfen, Straßen, in den Gärten und auf den Feldern. Sein 
Nest hat er unter Dächern, in altem, zerfallenem Gemäuer und in 
hohlen Bäumen. Von Ehrlichkeit weiß dieser Bursche nichts. Ohne 
weiteres dringt er bei der friedlichen Schwalbe ein. Er jagt sie aus 
ihrem eigenen Hause und richtet sich in demselben wohnlich ein. Auf 
dem Hühnerhofe drängt er sich gierig herzu. Er tut, als ob er überall 
zu Hause wäre, und als ob alles für ihn da sei. Den Hühnern frißt 
er das Futter vor dem Schnabel weg; die erste reife Kirsche nimmt er 
vom Baume, und von der Weintraube pickt er die süßesten Beeren. 
Wird er bei seiner Tafelfreude gestört, so fliegt er auf den nächsten 
Baum oder aufs nächste Dach und schimpft und kann sich lange nicht 
zufrieden geben. Auch die Felder besucht er. Er erntet überall, wo er 
nicht gesäet hat. Im Frühlinge lebt er von Würmern und Raupen. 
„Guten Appetit!" So ausgelassen und keck er im Sommer ist, so ver¬ 
zagt ist er im Winter. Da sitzt er auf dem Fensterbrett und pickt die 
Brotkrümchen auf, die man ihm hinstreut. Und aus dem Kehricht hüpst 
er umher, um ein verlorenes Körnlein zu finden. Warmhotz. 
93. Keinem Würmchen tu' ein Leid! 
Keinem Würmchen tu' ein Leid; 
steh, in seinem schlichten Kleid 
hat's doch Gott im Himmel gern, 
sieht so freundlich drauf von fern; 
führt es zu dem Grashalm hin, 
daß es ißt nach seinem Sinn; 
zeigt den Tropfen Tau ihm an, 
daß es satt sich trinken kann;° 
gibt ihm Lust und Freudigkeit, 
liebes Kind, tu' ihm kein Leid! 
Hey.
	        
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