Full text: [Band 3, [Schülerband]] (Band 3, [Schülerband])

238 
Die Blüt am grenzenlosen Stamme, 
Wie Sprosse Gottes, dieses Herz! 
Beflügelt von dem Sturm, erschwinge 
Mein Geist des Lebens höchste Lust, 
Der Tugend Siegeslust verjünge 
Bei kargem Glücke mir die Brust! 
11. Im heiligsten der Stürme falle 
Zusammen meine Kerkerwand, 
Und herrlicher und freier walle 
Mein Geist ins unbekannte Land! 
Hier blutet oft der Adler Schwinge; 
Auch drüben warte Kampf und Schmerz! 
Bis an der Sonnen letzte ringe, 
Genährt vom Siege, dieses Herz! 
157. Antike Metra.* 
1. vcr Hrrametcr. 
Gleichwie sich dem, der die See durchschifft, auf offener Meerhöh 
Rings Horizont ausdehnt, und der Ausblick nirgend umschränkt ist, 
Daß der umwölbende Himmel die Schar zahlloser Gestirne, 
^Bei hell athmender Luft, abspiegelt in bläulicher Tiefe: 
5©o auch trägt das Gemüt der Hexameter; ruhig umfassend, 
Nimmt er des Epos Olymp, das gewaltige Bild, in den Schoß auf 
Kreisender Flut, urväterlich so den Geschlechtern der Rhythmen, 
Wie vom Okeanos quellend, dem weithin strömenden Herrscher, 
Alle Gewässer auf Erden entrieseln oder entbrausen. 
10 Wie oft Seefahrt kaum vorrückt, mühvolleres Rudern 
Fortarbeitet das Schiff, dann plötzlich der Wog Abgründe 
Sturm aufwühlt, und den Kiel in den Wallungen schaukelnd dahinreißt: 
So kann ernst bald ruhn, bald flüchtiger wieder enteilen, 
Bald, o wie kühn in dem Schwung! der Hexameter, immer sich selbst gleich, 
18 Ob er zum Kampf des heroischen Lieds unermüdlich sich gürtet, 
Oder, der Weisheit voll, Lehrsprüche den Hörenden einprägt, 
Oder geselliger Hirten Jdyllien lieblich umflüstert. 
2. Dcr Iambe. 
Wie rasche Pfeile sandte mich Archilochos, 
Im Rhythmenwechsel meldend seines Mutes Sturm. 
Hoch trat und fest auf dein Kothurngang, Aeschylos! 
Großartgen Nachdruck schafften Doppellängen mir 
Samt angeschwellten Wörterpomps Erhöhungen. 
Fröhlicheren Festtanz lehrte mich Aristophanes, 
Labyrinthischeren; die verlarvte Schar anführend ihm, 
Hin gaukl' ich zierlich in der beflügelten Füßchen Eil. 
3. Der Choliambe. 
Der Choliambe scheint ein Vers für Kunstrichter, 
Die immerfort voll Naseweisheit mitsprechen, 
Und Eins nur wissen sollten, daß sie nichts wissen. 
Wo die Kritik hinkt, muß ja auch der Vers lahm sein. 
Wer sein Gemüt labt am Gesang der Nachteulen, 
* Nr. 157 und 188 von A. W. Schlegel. 
5No full text available for this image
	        
No full text available for this image
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.