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Boden und schließen nicht; die Thüren stehen immer auf, die Oefen
fehlen, und Kamine gehören zu den seltenen Dingen. Gewöhnlich hat
der Neapolitaner bei kalter Witterung nur ein Kohlenbecken, über dem
er sich von Zeit zu Zeit die Hände wärmt; zugleich hält er aber oft
die Fenster auf, weil er den widerlichen Dampf nicht ertragen kann. 5
Will man letztem vermeiden, so muß man sehr gute Kohlen nehmen
und dieselben stundenlang vor dem Zimmer glühen.
So kommt es, daß man nirgends mehr friert als in Italien, und
zwar klagen die Russen am meisten, weil sie daheim am besten heizen.
Ter Fremde, welcher in Neapel behaglich leben will, verschaffe sichio
also für den Winter ein Zimmer mit Teppichen oder Strohdecken, mit
wohlschließenden Fenstern und einem Kamine, oder — was aber schon
eine außerordentliche Erscheinung ist — einen Blechofen. Das Zimmer
liege gegen Mittag, das ist mehr werth als alle Teppiche und Blech¬
ofen; denn die ungeheuern, ganz steinernen Wände sind ohne Sonne 15
feucht und nehmen leicht einen Modergeruch an. Es gibt hier Zimmer
an offenen, warmen Stellen (z. B. in Croce di Malta auf Largo di
Castello), wo das Thermometer nie unter 14o über Null fällt.
Uebrigens hat hier die Sonne immer große Kraft, sobald der
Winter heiter ist und kein Wind weht. Dann liegen die Lazzaroni so
und Landleute im Januar auf den Gassen und halten wie im Som-
wer ihren Mittagsschlaf: dann sieht man noch in der Nacht halbnackte
Bettler auf dem Pflaster ausgestreckt. Ich selbst habe auf einem
Spaziergange um Weihnachten meinen Regenschirm aufgespannt, um
wich gegen die drückende Hitze zu verwahren. Erhebt sich aber der 25
Nordwind, die berüchtigte Tramontana, und rüttelt die schlechten Fenster,
w hüllt sich der Fremde in seinen Mantel und seufzt nach dem
traulichen Ofen in der Heimat. Man sieht nach dem Thermometer
Und begreift nicht, daß es noch so hoch steht.
Der Neapolitaner kann auf der Stube weit mehr Kälte ertragen 30
als der Nordländer; im Freien aber geht er, bei einigermaßen rauher
Luft, sehr warm gekleidet und bedeckt sorgfältig den Mund. Letzteres
thun sogar die härtesten Fischer, indem sie einen Zipfel ihrer braunen
^utte hoch über die Schulter werfen und den Kopf neigen, was ihnen
ein ungemein malerisches Aussehen gibt. Dabei haben sie doch oft 35
uackte Füße.
Gewitter sind hier im ganzen selten, sie kommen im Winter häu¬
figer vor als im Sommer, und treten öfters plötzlich mit großer Hef¬
tigkeit ein, besonders im Gebirge. — Nichts ist erhabener als ein Ge¬
witter auf dem Meere; ich habe ein solches letzten Sommer am Strande 40
oer Insel Jschia beobachtet. Es war schwarze Nacht; kein Mond, kein
Stern konnte das schwere Gewölk durchbrechen. Das offene Meer lag,
wie eine Welt voll Finsterniß, vor mir; ich sah die Wellen nicht, ich
hörte sie nur brüllen und schäumen und an die Lavaklippen des Ufers
schlagen, als solle mein Felsensitz in Trümmer gehen. Jetzt zuckten 45
teichte Blitze in der Ferne; gezacktes Feuer drang von allen Seiten
aus dem schwarzen Himmel; der ganze Horizont flammte von Glut,
und die weite, wild bewegte, weißschüumende See lag plötzlich deut¬
sch vor mir, um sogleich wieder in Nacht zu versinken. Lautkrachend
umrollte mich der Donner; die Erde zitterte. So währte es die halbe 50
Nackt. Endlich zog das Gewitter weiter: der Donner erstarb, nur die
leuchteten noch; kein Regen fiel auf der Insel.
Die Nebel, welche hier sehr selten vorkommen, sind viel trockener
Mager, Deutsches Elcmentarwcrk. I. 3. Sechste Ausl. 24