otternreichen Gegenden verursachen müßte, wir können sie aber auch 35
entbehren, da wir jetzt in der örtlichen Anwendung gewöhnlichen
Chlorkalks ein ebenso einfaches wie wirksames Mittel gegen Kreuz
otterngift besitzen. Man hat jetzt Pastillen davon nebst der zuge¬
hörigen kleinen Einsührspritze in den Handel gebracht, die nur in
ein wenig Wasser aufgelöst zu werden brauchen, um gebrauchsfertig 40
zu sein. Mit diesem einfachen Mittel sollte sich jeder, der in ottern¬
reichen Gegenden zu tun hat, auf seinen Gängen ausrüsten, nament¬
lich aber der Tierfreund und Forscher, der aus den Kreuzotterfang
auszieht, also das unheimliche Tier geradezu aufsucht, dem jeder andre
sonst gern aus dem Wege geht. 45
Daneben behalten aber auch noch manche alte Hausmittel ihren
wert, so namentlich das Eintauchen des gebissenen Gliedes, nachdem
die Wunde gereinigt und entsprechend erweitert ist, in öfters zu
wechselnde Buttermilch und noch mehr der Alkohol.
Besonders lehrreich scheint mir in dieser Beziehung ein Erlebnis 50
des bekannten wiener Keptilienforschers Kämmerer zu sein, der vor
einem in einem Verein zu haltenden Vortrage, als er sein mitge¬
brachtes lebendes Anschauungsmaterial in die einzelnen Gläser ver¬
teilte, von einer Kreuzotter gebissen wurde, aber nach Erweiterung
und Auswaschung der kaum bemerkbaren Wunde schleunigst eine 55
tüchtige Quantität Kognak zu sich nahm und dabei nichts als ein
vorübergehendes 5chwindelgefühl und Erbleichen empfand. Dann
hielt er ruhig seinen Vortrag, während dessen er eine weitere Flasche
mit Kognak vor sich stehen hatte und alle Augenblicke „einen hinter
die Binde goß". Die Zuhörerschaft mag sich nicht wenig gewundert 60
haben über diesen Süffel auf dem Kednerpult, der dann aber zum
Zchluß des glatt verlaufenen Vortrags kalt lächelnd erklärte, daß er
soeben das wirksamste Mittel gegen 5chlangenbiß praktisch vorgeführt
habe. Daß Alkohol und Schlangengift Gegengifte sind, geht ja auch
daraus hervor, daß gebissene Personen unheimliche Mengen Alkohol 65
zu sich nehmen können, ohne eine Wirkung davon zu verspüren.
Man darf sich keinen übertriebenen Vorstellungen von der Gefährlich¬
keit der Kreuzotter hingeben. Todesfälle durch Kreuzotternbisse, die
während der Zauregurkenzeit mit verdächtiger Kegelmäßigkeit in
den Zeitungen aufgetischt zu werden pflegen, stellen sich gewöhnlich 70
als arge Übertreibungen, oft genug auch als reine Erfindungen
heraus.
Km ehesten werden noch beerensammelnde, barfuß gehende Kinder
und Frauen im Walde gebissen, wenn sie zufällig auf eine Kreuz-