Full text: [Teil 5 = Klasse 2 und 1, [Schülerband]] (Teil 5 = Klasse 2 und 1, [Schülerband])

29. Das Meer im Leben der Völker. 
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des Seewesens für feine Angehörigen bewußt wird, nach Ausdehnung 
seines Gebietes bis zum Meere streben wird, und wäre es auch bloß, 
um einen so winzigen Küstenstreifen zu erwerben, wie Montenegro 
an der Adria erhielt. Denn wer auch nur einen Fuß am Strande hat, 
kann seine Schiffe um die ganze Erde senden. Welche Machtfülle in See¬ 
handel, Seeherrschaft und Kolonisation bis an die entlegensten pon- 
tischen Gestade hat im Altertum Milet, im Mittelalter Genua von 
einem einzigen Hafen aus entfaltet! 
Dem Staat als solchem verleiht das Meer drei der besten, 
ja der unentbehrlichsten Gaben: Unabhängigkeit, Einheit und Macht¬ 
fülle. Das Meer ist das schlechthin Unbewohnbare, betont mit Recht 
Ratzel, somit die allersicherste Schutzmauer für einen Staat. Wieviel 
minder gewährleistet erschiene des größten Freistaates Freiheit, hätte 
die Union zum atlantischen Gestade nicht auch das pazifische errungen! 
Ein allseitig meerumschlungenes Staatsgebiet wie das britische, das 
japanische und nun auch Australien, der neue Weltinselstaat, kann nie 
anders als punktweise, nämlich allein durch Flottenangriff berannt 
werden. Frankreich erscheint durch Überwiegen der Seegrenze besser 
gedeckt als Deutschland. Weil der friedliche Verkehr gleichfalls nur 
stichweise zu Schiff über die Küste ins Innere eines Staates zu dringen 
vermag, haben die vom Meer gebildeten Staatsgrenzen auch in völkischer 
Hinsicht etwas schärfer Umrissenes vor den verschwommeneren Landgren¬ 
zen voraus: sie helfen besser die Vereinheitlichung nationaler Volks¬ 
mischung fördern und erhalten. Im römischen Weltreich bewährte sich 
umgekehrt ein einziges Mal in der Geschichte das Mittelmeer als die 
von innen her den gewaltigen Staat zusammenhaltende Kraft. Unab¬ 
lässig jedoch bringt das Weltmeer von außen allen Staaten, an deren 
Saum es brandet und die seinen Weckruf verstehen, Einheit und Macht. 
Griechenland, die Apenninen-Halbinsel verlegen bei ihrem gebirgigen 
Inneren einen guten Teil ihres Gesamtverkehrs auf die Küstenfahrt, 
die Tag für Tag Bewohner und Güter von Nord und Süd zusammen¬ 
führt, die Interessengemeinschaft steigernd und immer von neuem den 
Blick auch weiter lenkend auf die hohe See jenseits des heimatlichen 
Strandes. 
Seehandel wie jede über See drängende Tätigkeit, sei es Gro߬ 
industrie, technische Betätigung über See oder Kolonisation, führt mehr 
als irgend etwas sonst zur Verflechtung einer Nation mit der weiten 
Welt, schweißt aber zugleich die binnenländischen Staatsteile aufs festeste
	        
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