124
30. Handwerk, Verlagssystem und Fabrikbetrieb.
nur einen Abnehmer haben, in immer tiefere Abhängigkeit herunter; der
Verleger wird ihr Arbeitgeber, und sie sind Arbeiter, auch wenn sie
formell den Rohstoff selbst liefern.
Beispiele der Hausindustrie haben wir hauptsächlich in den deutschen
Gebirgsgegenden: die Strohflechterei, die Uhren- und Bürstenfabrikation
im Schwarzwald, die oberbayrische Schnitzerei, die Spielwarenfabrikation
im Meininger Oberland, die vogtländische Stickerei, die erzgebirgische
Spitzenklöppelei usw.
Das Wesentliche ist und bleibt hier immer, daß das gewerbliche
Produkt, ehe es in den Konsum gelangt, Warenkapital, d. h. Erwerbs¬
mittel für eine oder mehrere kaufmännische Zwischenpersonen wird. Mag
der Verleger das Produkt auf den Weltmarkt bringen, mag er in der
Stadt ein Verkaufsmagazin halten, mag er die Ware fertig zum Ver¬
schleiß vom Hausarbeiter empfangen, mag er sie einer letzten Appretur
unterwerfen, mag der Arbeiter sich Meister nennen und Gesellen halten,
mag er nebenbei Landwirtschaft treiben: immer wird der Hausindu¬
strielle von dem eigentlichen Markte seines Produkts und von der Kenntnis
der Absatzverhältnisse weit entfernt sein. Und darin liegt die Haupt¬
ursache seiner trostlosen Schwäche.
Hat beim Verlag das Kapital sich bloß des Vertriebs der Produkte
bemächtigt, so ergreift es bei der Fabrik den ganzen Produktions¬
prozeß. Der Verlag rafft, um die ihm vorliegende Produktionsaufgabe zu
bewältigen, eine große Zahl gleichartiger Arbeitskräfte lose zusammen,
bestimmt die Richtung ihrer Produktion, die für jede annähernd gleich
ist, und läßt ihr Arbeitsprodukt wie in ein großes Reservoir zusammen¬
fließen, ehe er es in alle Welt verschickt. Die Fabrik organisiert den
ganzen Produktionsprozeß; sie faßt verschiedenartige Arbeiter in gegen¬
seitiger Über- und Unterordnung zu einer einheitlichen, wohldisziplinierten
Körperschaft zusammen, vereinigt sie in eigener Betriebsstätte, stattet
diese mit einem großen, vielgliedrigen Apparat mechanischer Produktions¬
mittel aus und steigert dadurch in hervorragendem Maße ihre Leistungs¬
fähigkeit. Die Fabrik unterscheidet sich vom Verlagssystem wie das
wohlgeordnete, einheitlich bewaffnete Kriegsheer der Linie vom bunt zu¬
sammengewürfelten Landsturm.
Das Geheimnis ihrer Stärke als Produktionsanstalt liegt also in
der zweckmäßigen Arbeitsverwendung. Um diese zu erzielen, schlägt sie
einen eigentümlichen Weg ein, der auf den ersten Blick ein Umweg
zu sein scheint. Sie zerlegt die gesamte in einem Produktionsprozeß