31. Deutschlands geographische und politische Lage.
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Europa östlich vom 17. Grad östlicher Länge wohnt; von dieser Masse
ragen nur die Tschechen in Böhmen wie ein Keil nach Mitteleuropa
herein. Die Deutschen sind also in der Hauptsache ein Volk des nörd¬
lichen und östlichen Mitteleuropa. Durch die deutsche Geschichte ist
oft der Zug zur Losreißung von diesem Grunde und zur Verpflanzung
in ein anderes Land gegangen; aber alle die nach West- und Süd¬
europa ausgesandten Eroberungs- und Kolonisationsscharen sind ge¬
storben und verdorben. Und so liegen denn auch heute die Sitze der
Deutschen nicht gar viel anders als zu der Zeit, wo Tacitus ihnen
Weichsel und Rhein zu Grenzen gab und wo sie für die späteren Römer
zwischen Alpen und Nordsee saßen. Es liegt etwas Großes, Beherzigens¬
wertes in dieser Beständigkeit, die nach allen Ausbreitungen in die alte
Schwerpunktslage zurückkehrt. Es ist auch eine tröstliche Lehre, die
Deutsche nicht vergessen sollten, daß das Leben ihres Volkes immer am
gesundesten war, wenn es fest dieses sein altes Gebiet zusammenfaßte.
Wenn Italien, Spanien, Frankreich, als von der Natur selbst umgrenzte
Länder, sich seit vielen Jahrhunderten wesentlich in derselben Lage und
Größe erhalten haben, so liegt darin kein Verdienst; daß aber die
Deutschen ihren alten Boden behauptet und immer wiedererworben
haben, ist ein Werk der Kraft und Ausdauer, auf das sie stolz sein
können. , ;
Mit seiner nördlichen Lage erwirbt Deutschland den Vorzug, dem
Ausstrahlungsgebiet der stärksten, über die ganze Erde wirksamsten ge¬
schichtlichen Kräfte anzugehören, wo die mächtigsten Staaten, die tätigsten
und reichsten Völker wohnen, wo darum auch die meisten Fäden des
Weltverkehrs zusammenlaufen und die Gewinne des Welthandels sich
ansammeln.
Mit seiner Zugehörigkeit zur Alten Welt steht Deutschland in der
Reihe der Länder, die als alte den jungen Gebilden des Westerdteils
gegenüberstehen. Es trägt daher im Vergleich zu diesen die Merkmale
der Reise, aber auch die Zeichen des Alters. Es ist ein Land der alten
Geschichte, der geschichtlichen Landschaften, des dicht besetzten Bodens,
zahlreicher Städte, der starken, ununterbrochenen, längst zur Notwendig¬
keit gewordenen Auswanderung. Unzählige Erinnerungen umweben seine
Züge, in denen fast nichts Unorganisches mehr ist; jeder Berg, jeder
Fels spricht zu uns und hat aus vergangenen Zeiten zu erzählen.
Deutschland hat mit den andern Ländern ähnlicher Lage und Ge¬
schichte in West- und Mitteleuropa gemein, daß man seine Bedeutung