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35. Das Meer und die Meere.
Welt näher gerückt. Die Vereinigten Staaten werden dadurch den
sichersten Gewinn von dieser Erschließung haben. Denn wenn man in
Kalifornien auch sagt, die größte Entwicklung der Menschheit sei dem
Stillen Ozean vorbehalten, so entscheidet einstweilen doch noch immer
die Stärke, mit der ein Staat auf dem atlantischen Schauplatz auf¬
zutreten vermag. Den Vereinigten Staaten aber gibt ihre geographische
Lage die Möglichkeit, ihre ganze atlantische Kraft aus die pazifische
Seite zu werfen, wenn sie den künftigen interozeanischen Kanal beherrschen.
Der Indische Ozean ist physisch nur ein halber Ozean; denn
er entspricht nur der südlichen Hälfte des Atlantischen und Stillen Meeres,
wie er denn auch an Größe weit hinter diesen zurücksteht. So fehlt
ihm auch die freie Verbindung mit dem Norden der Erde; er ist nicht
mit Unrecht als eine mächtige Bucht des Südmeeres aufgefaßt worden.
Aber an der Sonderung der großen Teile der Erde beteiligt sich auch
der Indische Ozean; er tritt trennend zwischen Asien, Australien und
Afrika. Australien liegt passiv neben ihm, aber an dem engen Zusam¬
menhang der Völker Südasiens und Afrikas, der vor aller Geschichte
liegt, hat wohl der Indische Ozean seinen Anteil. Seine afrikanisch¬
asiatische Zwischenstellung hat ihn in geschichtlicher Zeit zum Schauplatz
der folgenreichen Verkehrsbeziehungen zwischen Indien und Nordafrika
gemacht, die in seinen wichtigen Nordausläufern, dem Persischen Meer¬
busen und dem Roten Meere, den Übergang zur Kulturwelt des Nordens
suchten. Die Erschließung eines neueren Seeweges nach Indien bedeutete
einfach die Entdeckung des Zuganges zum Indischen Ozean vom Atlan¬
tischen Meere aus. Und in der Gegenwart sind wir Zeugen des Be¬
strebens Englands, dieses Meer zu einer Art Mittelmeer zu machen,
um dessen Ränder sich indische, australische, süd- und ostafrikanische,
arabische und insulare Teile des englischen Weltreiches gruppieren.
Die geschichtliche Zukunft der drei großen Meere ist heute nur
aus den natürlichen Zügen ihrer Physiognomie zu erahnen, die in
Iahrhunderttausenden nicht verwittern können. Diese Zukunft wird im
Atlantischen Meere nördlicher gelegen sein als im Stillen und im In¬
dischen Ozean. Wir stützen uns nicht auf die zufällig nördlicher gelegenen
Ausgangsgebiete großer Kulturbewegungen in den Gestadeländern des
Atlantischen Meeres zwischen 30 o n. B. und dem nördlichen Polarkreis.
Wir denken vielmehr an die Lage der Klimazonen und an die belebende
Gliederung des Nordatlantischen Ozeans, dessen Gegenstück nur wieder
auf der Südhalbkugel in Australien zu finden ist. Und wir denken