43. Der Dorfschmied.
195
„Oho!" rief ich, „ich dachte bisher, nur die Städter wären nerven¬
krank! Fängt das jetzt auch bei euch an?"
„Sie Ist seit fünfzehn Fahren siech," sagte der Mann am Ambotz.
„Ach so," machte ich und schwieg. Eine Pause entstand. Ein Nacht¬
falter surrte. Der Schmied hämmerte, und ich besah mir diesen ernsten
Mann mit einer plötzlichen Ehrfurcht.
„Habt Ihr Kinder?" forschte ich weiter.
„Ein Mädchen."
„Erwachsen, so datz es seine Mutter pflegen kann?"
„Das Ännchen ist just so viel Fahre alt, als seine Mutter krank
liegt. Bei seiner Geburt fing's mit ihr an. — Was das Pflegen an¬
belangt," fuhr er fort und warf das fertige Eisen in den aufzischenden
Wassertrog, „so ist das so 'ne Sache. Das Mädel ist von seiner Geburt
an lahm. Es geht an Krücken."
„Alle Wetter!" entfuhr mir, „da seid Fhr schön dran!"
„Hat mir schon mancher gesagt," bemerkte er ruhig, scharrte die
Asche über das Feuer und fing an, sich die Hände zu waschen. Fch
auf meinem Ambotz schwieg, stützte das Kinn in die Hand und sah sehr
ernst dem wortkargen Manne zu.
Als er fertig war, nahm er einen letzten Schluck aus seiner Kanne
und langte sich von einem Nagel die Pfeife herunter.
„Woher sind Sie eigentlich, wenn's erlaubt ist zu fragen?" fing
er an, während er gemächlich die Pfeife stopfte.
Fch nannte ihm meine süddeutsche Heimat, fügte aber hinzu, datz ich
aus Berlin käme, und erzählte, welche längere Wanderung hinter mir lag.
„Nun, da haben Sie ein schön Stückchen deutscher Erde gesehen,"
meinte er. „Fch war auch so, als ich unverheiratet war. Fmmer fort,
immer weiter. Mein Vater wollte mich studieren lassen, na, da brannte
ich durch. Aufs Schiff wollt' ich auch, da war's mir aber zu streng. Dann
kam der Krieg mit Frankreich, den hab' ich mitgemacht. Hernach nahm
ich meines Vaters Handwerk wieder auf, die Schmiederei, und trieb mich
noch so ein paar Fahre als Geselle herum. Und immer lustig, immer
voll Lieder, als echter Gebirgler, natürlich. Und wenn's eine Rauferei
gab, auch nicht der letzte. Freilich, auch manches nützliche Buch hab'
ich nebenbei gelesen. Da hab' ich dann das Mädel da kennen gelernt,
meine Frau, und mit dem Zigeunern war's aus. Fch sage nur eins: wenn
einer eine so glückliche Zeit erlebt hat wie wir zwei in unserem Brautjahr
und im ersten Fahr unserer Ehe, dann soll er mit seinem Herrgott zu-
13*