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Lenau.
146. Frage.
O Menschenherz, was ist dein Glück?
Ein rätselhaft geborner
Und — kaum gegrüht — verlorner,
Unwiederholter Augenblick!
147. Herbstklage.
1. Holder Lenz, du bist dahin!
Nirgends, nirgends darfst du bleiben!
Wo ich sah dein frohes Blühn,
Braust des Herbstes banges Treiben.
2. Wie der Wind so traurig fuhr
Durch den Strauch, als ob er weine;
Sterbeseufzer der Natur
Schauern durch die welken Haine.
3. Wieder ist, wie bald! wie bald!
Mir ein Jahr dahingeschwunden.
Fragend rauscht es aus dem Wald:
„Hat dein Herz sein Glück gefunden?"
4. Waldesrauschen, wunderbar
Hast du mir das Herz getroffen!
Treulich bringt ein jedes Jahr
Welkes Laub und welkes Hoffen.
148. Schilflied.
1. Auf dem Teich, dem regungslosen, 2. Hirsche wandeln dort am Hügel,
Weilt des Mondes holder Glanz, Blicken in die Nacht empor;
Flechtend seine bleichen Rosen Manchmal regt sich das Geflügel
In des Schilfes grünen Kranz. Träumerisch im tiefen Rohr.
3. Weinend muh mein Blick sich senken;
Durch die tiefste Seele geht
Mir ein sühes Deingedenken
Wie ein stilles Nachtgebet!