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ihn zum Segen ewiglich.... denn der König hofft auf den Herrn und wird
durch die Güte des Höchsten fest bleiben Sie gedachten dir Übles zu thun
und machten Anschläge, die sie nicht konnten ausführen . . . Mit einem
brausenden „Nun danket alle Gott!" schloß die kirchliche Feier.
5 Der König erhob sich und schritt, gefolgt von allen Prinzen und Fürsten
und dem Grafen Bismarck, gerade auf die Erhöhung zu, wo alle die Fahnen¬
träger standen. Am Rande der Erhöhung stand der greise, fast 74jährige König,
zu seiner Rechten der Kronprinz, links der Bundeskanzler; die Fürsten traten
hinter den König. Mit bewegter Stimme sagte der König, wie ihm die Kaiser-
10 kröne von allen deutschen Fürsten und freien Reichsstädten und den Vertretern *
des norddeutschen Bundes angetragen worden sei; er nehme sie an und habe
in diesem Sinne heute eine Bekanntmachung an das ganze deutsche Volk
erlassen, die der Bundeskanzler jetzt verlesen werde. — Dieselbe lautet:
„An das deutsche Volk."
15 „!vir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen, nachdem die deutschen
Fürsten und freien Städte den einmütigen Ruf an Uns gerichtet haben, mit Her-
stellung des Deutschen Reiches die feit mehr denn 60 Fahren ruhende deutsche Kaiser¬
würde zu erneuern und zu übernehmen, und nachdem in der Verfassung des Deut¬
schen Bundes die entsprechenden Bestimmungen vorgesehen sind, bekunden hiermit,
20 daß wir es als eine Pflicht gegen das gemeinsame Vaterland betrachtet haben,
diesem Rufe der verbündeten deutschen Fürsten und Städte Folge zu leisten und
die deutsche Kaiserwürde anzunehmen. Demgemäß werden wir und Unsere Nach¬
folger an der Krone Preußen fortan den Kaiserlichen Titel in Unseren Beziehungen
und Angelegenheiten des Deutschen Reiches führen und hoffen zu Gott, daß es der
(25 deutschen Nation gegeben sein werde, unter dem Wahrzeichen ihrer alten Herrlichkeit
das Vaterland einer segensreichen Zukunft entgegenznführen. wir übernehmen die
Kaiserliche würde in dem Bewußtsein der Pflicht, in deutscher Treue die Rechte des
Reiches und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren, die Unabhängigkeit
Deutschlands, gestützt aus die geeinte Kraft seines Volkes, zu verteidigen, wir nehmen
130 sie an in der Hoffnung, daß cs dem deutschen Volke vergönnt sein wird, den Lohn
seiner heißen und opfermütigen Kämpfe in dauerndem Frieden und innerhalb der
Grenzen zu genießen, welche dem vaterlande die seit Jahrhunderten entbehrte
Sicherung gegen erneute Angriffe Frankreichs gewähren. Uns aber und Unseren
Nachfolgern an der Kaiserkrone wolle Gott verleihen, allzeit Mehrer des Deutschen
35 Reiches zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gütern und
I Gaben des Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung.
Gegeben Hauptquartier Versailles, den 18. Januar 1871. Wilhelm."
Nachdem der Bundeskanzler die Bekanntmachung verlesen hatte, trat der
Großherzog von Baden vor und rief mit lauter Stimme: „Es lebe hoch König
40 Wilhelm, der deutsche Kaiser!"
Unter dem langen Jubelrufe der großen Versammlung ward manches
Auge naß, und dem greisen Könige und Kaiser stürzten die hellen Thränen
aus den Augen. Man sah, wie die stattliche Gestalt erschüttert war vor
Rührung. Der Kronprinz von Preußen huldigte'dem Kaiser durch Handkuß
45 — aber der Vater schloß ihn in die Arme und küßte ihn wieder und immer
wieder unter glücklichen Thränen. Auch seinen Bruder Karl und seinen Vetter.