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Charakters genau abgewogen sein." Wenn dies wahr ist, so würde
alle Kunst unseres Dichters verloren sein, sobald sich also in Jóc¬
hannos Entschlüssen und Beweggründen, in ihrem Empfinden und
Wollen Punkte nachweisen ließen, die aus der natürlichen, mensch¬
lich begreiflichen inneren Verknüpfung herausfielen und nur durch
ein psychologisches Wunder zu erklären wären (wie dies z. B. bei
dem Käthchen der Fall ist). Die Entscheidung liegt demnach in
dem Charakter Johannas. Ist er wirklich natürlich angelegt und
rein menschlich entwickelt, so dürfte nach dem eben Erörterten aus
der Einführung der Wunderwell dem Dichter keinerlei Vorwurf
erwachsen. Ludwig Bellermann.
D. Meisterwerke der bildenden Künste.
179. Das Schloß zu Heidelberg.
Zur Zeit der Reformation beginnt die Kunst der Renaissance
ihre glänzendsten Formen zu entfalten. Italien besitzt, nament¬
lich in seinen Städten Rom, Florenz und Venedig, noch heute eine
Fülle der herrlichsten Bauwerke, die den Stil der Hochrenaissance
in seiner Blüte zeigen. Aber auch in Deutschland fand der neue
Baustil bald Eingang. Zuerst wurden wohl italienische Künstler
von den Bauherrn herangezogen; aber bald treten überall
heimische Meister auf, die den Geist der Renaissance in ihrer
Weise auffassen und in einer deutschen Gestalt zur Ausführung
bringen. Großartige Schloßbauten und Fürstenhöfe entstehen so¬
wohl im Norden wie im Süden Deutschlands; das Heidelberger
Schloß übertrifft jedoch alle an Glanz und Großartigkeit; es wurde
zum Muster für die deutsche Renaissance und zählt noch heute,
obwohl zum Teil eine malerische Ruine, zu dem Schönsten, was
die Baukunst auf deutschem Boden geschaffen hat.
Das alte Heidelberg ist am linken Ufer des Neckars reizend
gelegen. Malerisch wird es von bewaldeten Bergen umsäumt, von
deren Höhen das Auge, dem Laufe des Neckars folgend, weit
hinausblickt in die fruchtbare Rheinebene bis nach Mannheim,