Full text: Lesebuch zur Einführung in die deutsche Litteratur (Teil 6, [Schülerband])

VIII 
Anspruch nimmt, so wird die gleiche Berechtigung in engeren Grenzen 
auch unserem Lesebuche nicht versagt werden dürfen; die eigentliche 
Kritik ist jedoch geflissentlich umgangen, und wo es sich um eine An¬ 
erkennung handelte, ist jedesmal der maßvollsten Form der Vorzug 
gegeben worden. 
Hiermit wäre die pädagogische Absicht, wie die dadurch bedingte 
Anlage des Lesebuchs hinreichend umschrieben. In Bezug auf die 
Ausführung im einzelnen ist noch folgendes hervorzuheben: 
Die Auswahl der Lesestücke verfolgt nicht lediglich die Absicht, 
von jedem Schriftsteller etwas ihn in seiner Eigentümlichkeit Charakteri¬ 
sierendes zu bieten, sondern ist bestimmt durch die vorwiegende Rück¬ 
sicht auf die Schönheit und den allgemeinen poetischen Wert des auf¬ 
zunehmenden Lesestücks. Aus diesem Grunde sind gerade auch solche 
Gedichte in reicher Zahl aufgenommen worden, welche sich zu Memorier- 
und Deklamationsübungen ganz besonders eignen. Außerdem besteht 
die Absicht, aus den vorangegangenen Teilen des Lesebuches eine Aus¬ 
wahl der besten Gedichte als Kanon zusammenzustellen und in einem 
besonderen Bändchen dem 6. Teil als Ergänzung beizugeben. 
Sodann ist bei dem Abdrucke in sorgsamster Weise auf die 
Quellen zurückgegriffen worden; redaktionelle Änderungen sind gering¬ 
fügig und gering an Zahl; nur an solchen Stellen erschienen sie er¬ 
laubt, wo sie von höheren Rücksichten dringend gefordert wurden. 
Es bedarf ferner kaum der Erwähnung, daß in jedem Schulbuche, 
dessen Bestimmung es zuläßt, insbesondere aber in einem deutschen 
Lesebuche der nationale und patriotische Grundton überall vernehmbar 
mitklinge. 
Ebenso selbstredend und durch den Zweck des Schulbuches ge¬ 
boten erscheint die Rücksicht auf religiöse und konfessionelle Verschieden¬ 
heiten. Wunsch und Hoffnung fließen darin zusammen, daß es dem 
Buche gelungen sein möchte, überall die Bahn des Friedens einzuhalten. 
So möge denn das Lesebuch hinaus gehen und der Feuerprobe 
sich unterziehen, ob es als ein geeignetes Mittel befunden werde, unserer 
deutschen Jugend die Herrlichkeit der deutschen Litteratur zu erschließen. 
Frankfurt am Main, den 6. November 1890. 
Tr. Kehorn.
	        
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