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Die ganze Burg ist toll, die Thüren alle offen
Und unbewacht; was säumen wir?
Auch hab' ich unterwegs Frau Fatmen angetroffen,
Zur Flucht bepackt als wie ein lastbar Tier.
Sei ruhig, spricht der Held, noch ist's nicht Zeit zu gehen,
Erst muß das Schwerste noch geschehen.
Die schöne Rezia erblaßt bei diesem Wort,
Ihr ängstlich Auge scheint zu fragen und zu bitten:
Warum verziehn? warum am steilen Bord
Des Untergangs verziehn? O laß mit Flügelschritten
Uns eilen, eh' der Taumelgeist zerrinnt,
Der unsrer Feinde Sinnen bind't!
Doch Hüon, unbewegt, begnüget sich, mit Blicken
Voll Liebe ihre Hand fest an sein Herz zu drücken.
Allmählich ließ nunmehr die Kraft des Hornes nach;
Die Köpfe schwindelten, die Beine wurden schwach,
Kein Faden war an allen Tänzern trocken,
Und, in der atemlosen Brust
Geschwellt, begann das dicke Blut zu stocken.
Zur Marter ward die unfreiwill'ge Lust.
Durchnäßt, als stieg' er gleich aus einer Badewanne,
Schwankt der Kalif auf seine Ottomane. —
Herr Hüon macht die Stille sich zu nutze,
Die auf dem ganzen Saale ruht;
Läßt seine Königin, nah bei der Thür, im Schutze
Des treuen Scherasmin, dem er auf seiner Hut
Zu sein gebeut, giebt ihm auf alle Fälle
Das Horn von Elfenbein und naht sodann der Stelle,
Wo der Kalif, vom Ball noch schwach und matt,
Auf einen Polsterthron sich hingeworfen hat.
In dumpfer Stille liegt mit ausgespannten Flügeln
Leis' atmend die Erwartung ringsumher,
Die Tänzer all, von Schlaf und Taumel schwer,
Bestreben sich, die Augen aufzuriegeln,
Den Fremden anzusehn, der sich nach solcher That
Mit unbewehrter Hand und bittenden Gebärden
Dem stutzenden Kalifen langsam naht.
Was, denkt man, wird aus diesem allen werden?
Er läßt sich auf ein Knie vor dem Monarchen hin,
Und mit dem sanften Ton und kalten Blick des Helden
Beginnt er: Kaiser Karl, von dem ich Dienstmann bin,
Läßt seinen Gruß dem Herrn der Morgenländer melden