Full text: Lesebuch zur Einführung in die deutsche Litteratur (Teil 6, [Schülerband])

420 
Ziehn ins Feld auf flinken Rossen, 
Lustig mit Drommetenton; 
„Komm in unsre Reiterscharen!" 
Fällt der Werber jubelnd ein, 
„Schönes Leben des Husaren, 
Das ist Leben, das allein!" — 
Jünglings Augen flammen heller, 
Seine Pulse jagen schneller.- 
Plötzlich zeigt sich jetzt im Kreise 
Eine finstere Gestalt, 
Tiefen Ernstes, schreitet leise, 
Und beim Werber macht sie Halt, 
Und sie flüstert ihm so dringend 
Ein geheimes Wort ins Ohr, 
Daß er, hoch den Säbel schwingend, 
Wie begeistert loht empor. 
Und der Dämon schwebt zur Bande, 
Facht den Eifer der Musik 
Mächtig an zum stärksten Brande, 
Mit Geraun und Geisterblick. 
Aus des Basses Sturmgewittern, 
Mit unendlich süßem Sehnen, 
Mit der Stimmen weichem Zittern, 
Singen Geigen, Grabsirenen. 
Und der Finstre schwebt enteilend 
Durch der Lauscher dichte Reihe, 
Nur am Jüngling noch verweilend 
Wie mit einem Blick der Weihe. — 
Bald im ungestümen Werben 
Wird der Liebe Klage laut, 
Wird das Bild der Heimat sterben; 
Arme Mutter! arme Braut! 
In des Jünglings letztes Wanken 
Bricht des Werbers rauhes Zanken, 
Lacht des Werbers bittrer Hohn: 
„Bist wohl auch kein Heldensohn! 
Bist kein echter Ungarjunge! 
Feiges Herz! so fahre hin!" 
Seht! er stürzt mit raschem 
Sprunge — 
Zorn und Scham der Wange 
Glühn — 
Hin zum Werber, von der Rechten 
Schallt der Handschlag in dem 
Lüften, — 
Und er gürtet, kühn zum Fechten, 
Schnell das Schwert sich um die 
Hüften. — 
Wie beim Sonnenuntergange 
Hier und dort vom Saatgefild' 
Still waldeinwärts schleicht das Wildi 
Also von der Ungarn Wange 
Flüchtet in den Bart herab 
Still die scheue Männerzähre. 
Ahnen sie des Jünglings Ehre? 
Ahnen sie sein frühes Grab? 
Viertes Kapitel. 
Patriotische Dichtung aus der Zeit der deutschen Erhebung. 
Die Geschichte berichtet Unerhörtes von dem lähmenden Schrecken 
und der allgemeinen Hoffnungslosigkeit, welche als die Folgen der Schlacht 
von Jena Preußen fast ohne weiteren Schwertstreich Napoleon in die 
Hände lieferten. Nur wenige hatten den Mut, ihm unerschrocken entgegen 
zu treten, wie die edle Königin Luise, oder gar seiner Macht zu trotzen, 
wie Gneisenau in Kolberg. 
Das Bild einer allgemeinen Niedergeschlagenheit war demnach also 
doch nur ein täuschender Schein; in der That waren die edelsten Männer 
des Volkes sofort ans Werk gegangen, die Waffen zu schmieden, deren 
man bedürfen würde in der Befreiungsstunde, auf welche man in Geduld 
wartete. Die tüchtigsten Freunde des Vaterlandes vereinigten Herzen und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.